Gecko

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Neulich habe ich im Radio behauptet, es gebe kaum gelungene Magazine für Kinder. Schön, dass ich kurz darauf eines Besseren belehrt wurde und nun Gecko in den Händen halte.

Seit sieben Jahren erscheint die werbefreie “Bilderbuch-Zeitschrift” für Kinder ab 4 Jahre. Alle zwei Monate bekommt die Zielgruppe hierbei ein wunderbar gestaltetes Magazin, dass die Kleinen ernst nimmt und nicht bloß als Konsumenten betrachtet, denen man irgendeinen Quatsch andrehen müsse. Kein Plastikspielzeug, dafür 52 liebevoll gestaltete Seiten. Der Großteil der Geschichten und Bilder in Gecko erscheint hier exklusiv – 13 Künstler gestalten das Heft.

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Gecko fördert die Lust am Lesen, lädt zum Mitmachen ein und erlaubt sich natürlich auch Quatsch und Nonsens. Lobenswert, dass es dabei Jungs und Mädchen gleichermaßen anspricht, dies ist auf dem Markt ja eher eine Seltenheit. Das Heft dürfte nachhaltiger sein als der Großteil dessen, was Kindern sonst so angedreht wird. Und das finden wir ganz wunderbar!

Warum soll ich das lesen?
Die 6-Jährige Lotti, jüngstes Redaktionsmitglied, hat das Heft für uns intensiv unter die Lupe genommen. Vor allem die gezeichneten Witze, die Bastelideen und die Wortspiele haben es ihr angetan. Das Plastikspielzeug hat sie nicht vermisst.

Risiken und Nebenwirkungen
Jetzt will sie das Heft monatlich haben.

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Florian Tomaszewski

I like Blogs

10841130_638426199612663_755146704_nWer das Internet ins Fernsehen bringen möchte, zum Beispiel durch das Vorlesen von Tweets, erntet mit hoher Wahrscheinlichkeit Häme und Spott*. Derartiges versuchen nun die Macherinnen des gerade zum ersten Mal erschienenen Magazins I like Blogs. Der Titel verrät es schon: In diesem selbsternannten Blogmagazin werden ausgewählte Blogs aus der ganzen Welt vorgestellt. Das Internet wird abgedruckt.

Sowohl die Herausgeberin im Editorial als auch die meisten Menschen, mit denen ich mich unterhielt, gehen davon aus, dass es ein Magazin für Frauen ist. Das liegt vermutlich an den Rubriken: Herz & Seele, Zucker & Salz, Kind & Kegel, Hier & Da und Schein & Sein. Zugegeben, die Aufmachung des Heftes ist sehr verspielt und hauptsächlich pink. Ausschließlich für Frauen sind die Inhalte aber nicht.

I like Blogs ist ein sehr schön – man will fast sagen: liebevoll – gestaltetes Magazin, mit vielen schön anzusehenden Fotos von – genau! – schönen Menschen; an einigen Stellen ist es ein bisschen zu verspielt, da fällt das Lesen etwas schwer.

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Das Heft versucht sich an einer Entschleunigung des Internets, indem es uns Blogs präsentiert und uns damit die Arbeit abnimmt, aktiv nach interessanten Inhalten im Netz zu suchen. Unter den ausgewählten Beiträgen finden sich ein paar interessante Klassiker aus der Blogwelt, zum Beispiel Freunde von Freunden, das “interessante Menschen und Orte aus der ganzen Welt” vorstellt. Sowohl die Reisetipps als auch die DIY-Projekte und Rezepte sind sorgsam ausgewählt und durchaus brauchbar. Allerdings bleibt I like Blogs im Großen und Ganzen nichts anderes als eine Blogsammlung.

Nichts gegen Blogsammlungen, die können praktisch sein. Aber der Umweg über Papier ist es nicht. Denn am Ende mache ich doch während und nach der Lektüre nichts anderes als  „i like blogs+Fahrradmöbel+blog“ zu googeln, den Feed zu abonnieren und mein Lieblingsrezept zu faven. Außerdem hoffe ich, dass ich mich irgendwann, wenn die Eltern zu Besuch kommen, wieder daran erinnere, dass es da dieses Wahnsinns-Orangenkuchenrezept in den Weiten des Internets gibt – und ich es in einem RSS-Reader abgespeichert habe.

Warum soll ich das lesen?
Weil I like Blogs zwar ähnliche Themen abhandelt wie Brigitte oder andere Frauenmagazine, man hier aber keine so große Angst davor haben muss, dass Produkte und Restaurants den Weg ins Heft nur durch einen Werbe-Deal geschafft haben – und deshalb beim Friseur die bessere Wahl ist!

Risiken und Nebenwirkungen
Man verbringt den ganzen Tag nur noch damit, sich durch die vorgestellten Blogs zu klicken und zu wischen. Alles andere als Entschleunigung!

* siehe wdrblog.de/digitalistan/archives/2012/11/twitter-tussis_und_ipad-idiote.html

Hanna Forys

Weapons of Reason

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Dieses Magazin haben wir dem ehemaligen amerikanischen Vizepräsidenten und Friedensnobelpreisträger Al Gore zu verdanken. Wie bitte? Nachdem Danny Miller dessen Buch “The Future – Six Drivers of Global Change” gelesen hat, beschloss der Geschäftsführer der Londoner Agentur Hüman After All, selbst aktiv zu werden. Schließlich wurde die Idee zu der achtteiligen Magazinreihe Weapons of Reason entwickelt, die auf die globalen Herausforderungen unserer Zeit aufmerksam machen soll. Mit “The Arctic” ist nun die erste Ausgabe erschienen, die natürlich auch schon Al Gore höchstpersönlich erhalten haben soll.

In kreativer Hinsicht musste man sich eigentlich keine Sorgen um das Gelingen des Projektes machen, zeichnet sich die Agentur um Miller doch auch für die Gestaltung des fabelhaften Filmmagazins Little White Lies verantwortlich. Tatsächlich kann ebenso Weapons of Reason optisch und mit seinem handlichen Format punkten. Mit einer Ausnahme kommen alle Beiträge ohne Fotos aus, stattdessen unterstützen farbenfrohe, fast schon kindliche Illustrationen die jeweiligen Artikel. Zusätzlich visualisieren clevere Infografiken für den Leser die Fakten.

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Thematisch ist das Magazin in “Past”, “Present” und “Future” eingeteilt und wird von diversen Wissenschaftlern und Journalisten mit Leben gefüllt. Die Geschichte der Arktis, aktuelle Bedrohungen und Probleme der Region, sowie zwei unterschiedliche Ausblicke ins Jahr 2050 finden dabei ihre Berücksichtigung. Weapons of Reason stellt die richtigen Fragen, ohne moralinsauer daherzukommen und den Leser mit seiner Dringlichkeit abzuschrecken. Eher unaufgeregt klärt es auf und stellt auf den letzten Seiten diverse Projekte vor, die sich  mit dem Klimawandel und den Folgen für die Arktis befassen. Wir freuen uns auf die kommenden sieben Ausgaben. Danke, Al!

Warum soll ich das lesen?
Ein wichtiges Thema, schön verpackt. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr.

Risiken und Nebenwirkung
Und was machst Du jetzt mit Deinen Heizpilzen?

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Florian Tomaszewski

Salon

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Der Verlag Gruner + Jahr bringt ein neues “Magazin für Gastlichkeit, Tischkultur und Lebensart” heraus – und das mit perfektem Timing. Weil natürlich ein Heft über Bewirtung, Tischsitten, Kochen, Backen und auch Wohnen perfekt in die kalte Jahreszeit passt. Die verbringen wir bevorzugt drinnen mit guten Freunden und Familie. Und wenn Du jetzt auch noch eine Frau “ab 35 Jahren” bist, die Lust auf Luxus und Lifestyle hat, ist Salon vielleicht das richtige Magazin für Dich.

Das Heft ist schön dick, mit 160 Seiten schon fast ein Wälzer und edel aufgemacht. Drinnen vermitteln die Reportagen und Fotostrecken mal rohen Luxus irgendwo zwischen Waldhütte und verkommenen Ostseebad – und ein anderes Mal den schicken Biedermeier 2.0, der gerne im Gestern schwelgt. Die Mode der 50er! Kristallgläser! Papierlampen! Heringssalat (wo gibt’s denn den heute noch?)!

Barocker Glanz und spätrömische Dekadenz

Salon ist edel gemacht, kennt seine Zielgruppe und hat eine echte Chance. Das ist die gute Nachricht. Es ist barock und stilbewusst – aber auch praktisch, denn das Rezepteheft im Mittelteil kann man rausnehmen, sodass Salon weiter den Coffeetable zieren darf.

Warum soll ich das lesen?
Überzeuge Deine Schwiegermutter mit diesem Magazin. Aber übertreib dabei nicht.

Risiken und Nebenwirkungen
Keine Strickmuster, kein Tratsch über Brangelina – Du hast Dir ein “Magazin für die Frau ab 35″ anders vorgestellt.

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Sven Job

Cameo Magazin

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So paradox es klingt: Cameo ist ein tolles Magazin, dessen Existenz doch traurig stimmt. Aber der Reihe nach.

Aachen hätte man bisher nicht mit dem Flüchtlingsdrama unserer Zeit in Verbindung gebracht, jedoch liegt das Städtchen auf der Route Paris-Köln, und Grenzbeamte greifen in den Zügen regelmäßig Flüchtlinge ohne Papiere auf. Während erwachsene Personen dann auf Heime in ganz Nordrhein-Westfalen verteilt werden, müssen Minderjährige in Aachen bleiben. Und weil viele Heime vor Ort überfüllt sind, werden die Jugendlichen in einem Hotel vor Ort untergebracht. Von dort berichtet das erste Cameo-Heft.

Das via Crowdfunding finanzierte Magazin widmet sich in seiner ersten Ausgabe dem Thema “Gastfreundschaft”. Cameo nutzt dabei das Mittel der fotografischen Reportage und zeigt in nüchternen Bildern die Tristesse dieser Unterkunft. Jugendherbergsambiente trifft auf deutschen Biedermeier. Ein kalter Ort.

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Die Redaktion kommentiert nicht. Anhand von Briefen stellen die Jugendlichen sich selbst vor und erzählen ihre Geschichte. So werden sie zu den Protagonisten dieses Magazins und geben ihm ihre Stimme. Die Gastfreundschaft, ein wichtiger Bestandteil aller Kulturen und Religionen, bildet dabei das Leitmotiv – wirkt aufgrund der Bilder und Geschichten aber auch wie Hohn. So nüchtern das Heft von außen wirkt, sein Inhalt wühlt auf. Die zweite Ausgabe soll im Februar 2015 erscheinen.

Warum soll ich das lesen?
Während meist über Flüchtlinge geschrieben wird, erzählen sie hier selbst ihre Geschichte. Hör genau hin!

Risiken und Nebenwirkungen
Wir sollten über unsere Definition des Begriffs “Gastfreundschaft” vielleicht noch einmal nachdenken.

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Florian Tomaszewski

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