HΛNT

Wer sich einige Zeit mit Magazinen beschäftigt, wird feststellen, das es an einem sicher nicht mangelt: Magazine für Fotografie. Mit Der Greif, dienacht oder zuletzt Still, nur um eine Auswahl zu nennen, haben auch wir Vertreter des Genres vorgestelltKaum glauben wir, das Feld nun abgeerntet zu haben, flattert HΛNT ins Haus.

(c) HΛNT Magazin

Die erste Ausgabe des Erfurter Magazins trägt den wunderbaren Titel “Butterfahrt nach Bangladesch” und widmet sich der Reise “in die Ungewissheit und auf fremde Pfade”. Klar, so ein Thema bietet Raum für Spielereien und Abstraktion. Wer exotische Reisefotografie erwartet, wird enttäuscht sein, denn die jungen Herausgeber schauen sich erst einmal in der Heimat um. Plattenbau, die gedeckte Kaffeetafel, Einkaufsdörfer. Eine Ausnahme bildet einzig die Bilderserie “Road 99″, eine fotografische Expedition durch Israel von Paul-Ruben Mundthal, die dem klassischen Reisejournalismus noch am nächsten kommt.

(c) HΛNT Magazin

HΛNT ist ein ehrgeiziges Projekt und wird erfreulicherweise Mitte September mit der zweiten Ausgabe fortgesetzt. Denn wer sich einige Zeit mit Magazinen beschäftigt, wird auch feststellen, dass es an einer Sache ebenfalls nicht mangelt: Idealismus und Leidenschaft. Wir sind bei euch!

Warum soll ich das lesen?
Keine Sorge, Du musst nicht viel lesen. Schau Dir die schönen Bilder an.

Risiken und Nebenwirkungen
Vielleicht verlierst Du bei all den Magazinen für Fotografie bald den Überblick.

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Florian Tomaszewski

Krachkultur

Eines vorweg: das Magazin Krachkultur ist das Gegenteil von Erbauungsliteratur. Es ist kein Reader’s Digest, sondern ein Reader’s Indigestive. Die nun vorliegenden Ausgabe 15 markiert gleichzeitig das 20. Jahr, in dem das Magazin erscheint. Nach wie vor ist Krachkultur dabei Sammelbecken der Outsider-Literatur und Beatnik-Szene. Und das zu Zeiten, als es Outsider–Literatur und Beatnik-Szene gar nicht (mehr) gab.

Ein inhaltlicher Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe ist die “neue Härte in der weiblichen US-Literatur”. Denn es gibt eine Generation junger Schriftstellerinnen, die für Herausgeber Martin Brinkmann nur wenig mit ihren vermeintlichen deutschen Pendants wie Helene Hegemann und Charlotte Roche gemeinsam haben. Deutlich wird das in den fragmentarisch erzählten Gedanken zur Farbe “Blau”, eine Art lyrische Phänomenologie von Maggie Nelson, die mehr als alles andere den Blues sucht. Oder “Arizona” von Elizabeth Ellen, eine Meditation über White Trash und das Erwachsenwerden einer Generation, deren Eltern selbst nie erwachsen geworden sind – und sich dabei ewig im Kreis drehen: So kann sich die Mutter der Teenager-Protagonistin vielleicht Nacht um Nacht freivögeln, aber wenn sie jeden Morgen danach im immergleichen Arizona aufwacht, ist daraus nichts gewonnen. Dann wären da noch die deprimierenden Beobachtungen über das Sterben von Amy Hempel, eine Art “Tod zu Zeiten des Gefällt-Mir-Buttons”. Doch was für einen Film nach dem Tod darf erwarten, wem schon im Leben nur die Sätze aus dem “Unnützes Wissen”-Heft der Neon einfallen?

Krachkultur darf man nicht als lockere Lektüre für zwischendurch verstehen: Vielleicht zieht es einen zuweilen runter, aber dafür ist und bleibt es ein Abbild der Realität. An vielen Stellen scheint die Erkenntnis durch: Es gibt kein Happy End, nicht einmal für die Schönen und Reichen, deren Töchter Namen wie “Star” oder “Fame” tragen, in Lofts wohnen und zum Schönheitschirurgen gehen wie Katholiken zur Beichte – regelmäßig und als Ersatz für die Psychotherapie (Torsten Wohlleben in der Geschichte “Glatt”). Denn das wahre Leben ist keine Soap Opera. Es hat keinen Cliffhanger und kennt nur ein Ende. Bis es soweit ist, wird es von den großen und kleinen Momenten durchbrochen, den Beobachtungen und Stilisierungen dessen, was ist. Und genau diese literarische Ohrfeige verteilt Krachkultur, ästhetisch und gnadenlos.

Warum soll ich das lesen?
“Kunst ist nicht ein Spiegel, sondern ein Hammer.” Hat schon Karl Marx gesagt.

Risiken und Nebenwirkungen
In Krachkultur verpasst Dir die Realität ein paar knallharte Schläge ins Gesicht. Wenn Du Dich traust.

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Ulrich Mathias Gerr

Upon Paper: Lovers

Erstes Date, zweites Date, drittes Date. Beim dritten Date, so lehren Benimm-Knigge, Bro-Code und inzwischen wohl auch Katholische Mädchenschulen in Brooklyn oder anderswo, gibt’s Liebe. Kann es da Zufall sein, dass die dritte Ausgabe von Upon Paper den Titel “Lovers” trägt? Das tropfende Herz der Liebe prangt auf goldenem Grund, und zusammengehalten wird alles wie immer von Größenwahn, Maßlosigkeit und Obsession. Damit lässt sich die Liebe auch ganz gut beschreiben – es kommt also zusammen, was zusammen gehört.

Jetzt lassen wir den Inhalt sprechen. Ihr Herzchen, habt Ihr wieder gut gemacht.

Die Sonnenbrillen wurden nachträglich draufgelegt. Weil Sommer ist. Und um zu zeigen, wie groß Upon Paper ist. Auch wenn wir darüber schon gesprochen haben. Im Heft sind teils exklusive Arbeiten zu sehen von u.a. James Franco, Jeff Burton, Peter Adamski und Kandis Williams.

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Sven Job

+3 Magazin

Sommerzeit, tote Hose. Bei der brütenden Hitze laufen die Uhren langsamer, ist ja logisch. In den Plenarsälen des Landes ist nichts los, auch der Feuilleton hält sich lieber im Biergarten als in der Mitte der Gesellschaft auf. Und der Rest von uns sitzt am Baggersee und hat sowieso keinen Bock auf Debatten und … na ja, Sommer eben.

Das stimmt aber nicht so ganz. Denn erstens läuft – wenn auch von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – der Bundestagswahlkampf auf Hochtouren. Und zweitens gibt es Magazine wie das +3 Magazin, das mit innovativen Ansätzen den Versuch eingeht, gesellschaftspolitische Debatten anzustoßen. Und das bei gerne über 30 ° C. Als Verleger muss man heutzutage schon verrückt sein.

“Warum soll in der Zeitung nur die Meinung der Redaktion stehen? Da ist viel Platz nach oben.”

Der Leser, das zahnlose Biest? Nicht, wenn es nach den Machern des +3 Magazins geht. Denn +3 will ein Magazin für alle sein, für den Experten wie den Leser. Die zwei dahinter sind Robert Willmann und Iwan Ittermann. “Selektions- statt Redaktionshoheit”, beschreibt Iwan das Konzept. Denn in jeder Ausgabe, die der F.A.Z. und der Süddeutschen Zeitung beigelegt wird, werden neben den Expertenmeinungen auch die der Leser abgedruckt. Zumindest in der Printausgabe, die sich auf 16 Seiten beschränken muss, fallen diese aber sehr klein aus. Sie sind leider kaum mehr als Meinungs-Portiönchen, die den Stand der öffentlichen Diskurses repräsentieren. Will +3 seinem Anspruch gerecht werden, müsste hierfür mehr Platz geschaffen werden.

Hier ist es wieder, das generelle Problem von Print – keine Echtzeit, keine wirkliche Interaktivität und für eine Debatte mit einem Hin und Her ist Print auch nie aktuell genug – im natürlichen Gegensatz zum Web. Auffällig ist übrigens, wie viele Themen mit Energie zu tun haben: Die Energiewende, grüne Mobilität, der Preis für Strom und die Zukunft nach dem Öl-Zeitalter sind vier von sechs Fragen in den beiden Ausgaben, die wir uns angesehen haben. Mehr Vielfalt wäre schön.

Dem edlen Vorhaben, den Zeitungsleser trotz allem irgendwie mitzunehmen, tut das keinen Abbruch. Bleibt dem +3 Magazin nur zu wünschen, dass das journalistische Konzept in seiner Offenheit aufgeht. Platz nach oben gibt es noch, das sagt die Redaktion ja selbst.

Die neue Ausgabe erscheint als Beilage in der Süddeutschen Zeitung am 22. August.

Warum soll ich das lesen?
Wie viel sollen und wollen wir für unseren Strom bezahlen? Was macht gesellschaftliches Engagement im besten Fall aus? Mit +3 kannst Du Dich auf den neuesten Stand bringen.

Risiken und Nebenwirkungen
Dir eine eigene Meinung zu bilden, solltest Du dabei aber nicht vergessen.

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Sven Job

Perfect Ink


Arschgeweih, Matrosenschmuck, kleiner Delphin; obwohl jeder vierte Deutsche eins hat, gibt es keinen umstritteneren Trend als das Tattoo. Das behauptet zumindest Perfect Ink, das neue Magazin aus dem Springer-Verlag.

“Autsch! Hier tut’s besonders weh”

Dabei nur an der Oberfläche kratzen ist den Magazinmachern zu wenig, denn schließlich geht es bei der Kunst des Tätowierens zwangsläufig: unter die Haut. Was sehr schnell zur ersten Erkenntnis führt, nachdem man das Heft in die Hand genommen hat: Wer seine Bildchen zeigen will, muss sich und damit nackte Haut präsentieren. Und nach Perfect Ink kann er oder sie das dann auch in “hochwertiger Optik und mit ästhetischen Bildern” tun.

Denn das Heft ist eine Entwicklung der Axel Springer-Männermedien. Axel Telzerow, Chefredakteur der Computer Bild-Gruppe ist auch auf für Perfect Ink verantwortlich. Er skizziert das in der Ankündigung zum Heft so: “Vor 20 Jahren waren höchstens Matrosen und Luden auf der Reeperbahn tätowiert, inzwischen sind [Tattoos] salonfähig geworden.” Leider sei die Presse dabei nicht mitgewachsen, aus seiner Sicht gebe es keine gut gemachten, seriösen Magazine.

(c) Axel Springer Verlag

In diese Lücke will Perfect Ink nun also stoßen. Das Heft richtet sich dabei an ein breiteres Publikum, nicht (nur) an die bereits Voll-Tätowierten; das gelingt vor allem mit viel Anschauungsmaterial und den ebenfalls aus den Computer Bild-Medien bekannten journalistischen Mehrwerten wie einem Test- und Service-Teil. Der liefert, neben Fakten und Wissenswerten rund um die Kunst des Tätowierens, ein Glossar und einen “Styleguide”. Dazu gibt’s die “100 besten Tattoo-Studios” (“Sauber – sicher – kreativ”) als Adressliste und den Selbsttest: “Mein erstes Tattoo: So läuft’s wirklich – Perfect Ink-Praktikant musste es ausprobieren!” Außerdem lassen sich Prominente – mal mehr, mal weniger bekannt – auf die Tattoos schauen.

Warum soll ich das lesen?
Stichwort “Was Du schon immer über’s Tätowieren wissen wolltest, Dich aber nie zu fragen getraut hast”. Zum Beispiel, wie man innerhalb eines Hefts vom Praktikant zum Redakteur aufsteigen kann. Oder wo das Stechen für den blutigen Neuling besonders weh tut.

Risiken und Nebenwirkungen
“Delphin oder Rose?”, das ist hier die Frage.

Manuel Niemann

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