Philosophie Magazin: 1914 – 2014. Das Jahrhundert im Spiegel seiner großen Denker

philomag1Pünktlich zum Jahreswechsel schickt die Redaktion des Philosophie Magazins eine erste Sonderausgabe in die Kioskregale. Doch statt sich in einem Rückblick dem vergangenen Jahr zu widmen, wie es alle anderen tun, holt man hier weiter aus: Ein ganzes Jahrhundert findet sich auf den knapp hundert Seiten ausgebreitet. Der Titel “1914 – 2014. Das Jahrhundert im Spiegel seiner großen Denker” ist dabei Programm.

Die Brücke zum gerade beginnenden Jahr schlägt Chefredakteur Wolfram Eilenberger im Editorial: Was vor hundert Jahren geschehen ist, wirkt bis heute nach - und darüber hinaus. Beispiele gibt es viele: von der Erforschung des Weltalls, über die globale Vernetzung unserer Zeit, bis zur Vernichtung unseres Lebensraums. Kühn zieht Eilenberger dabei eine Verbindungslinie vom deutschen Mauerfall, der sich in diesem Jahr zum 25. Mal jährt, bis zum Terrorangriff des 9. Septembers 2011.


Doch vermeidet das Heft eine Chronistenstimme à la Guido Knopp. Die einhundert Jahre werden aufgeteilt in vier Zeitspannen, für deren Anfang oder Ende sich jeweils sinnvoll eine Jahreszäsur findet. Eine Zeittafel gibt einen Überblick über “Zeit” und “Geist”, um dann rasch den echten Zeitgenossen das Feld zu überlassen. Ganz im Sinne Sartres kommen Denker zu Wort, die jeweils “für die ihre Epoche schrieben.”

Statt eines großen Sittengemäldes des vergangenen Jahrhunderts formt sich dadurch so etwas wie eine Pluralität der Stimmen. Das Sonderheft ist ein Kaleidoskop des Vergangenen und liest sich wie ein Who’s Who der jüngeren Philosophiegeschichte, das aber über den Tellerrand zu den anderen Disziplinen blickt. Eine ausführliche Bibliographie gibt dem geneigten Leser das Hintergrundwissen an die Hand. Wie wird das Denken wohl weiterhin explodieren? Es ist 2014!

Warum soll ich das lesen?
Guido Knopps “100 Jahre” laufen selbst schon wieder seit 15 Jahren. Immer und immer und immer wieder. Es wird Zeit für ein Update.

Risiken und Nebenwirkungen
So viel versammelte (Intelligenz-)Prominenz sorgt bei dir für Panik. Und niemand weiß wirklich, was noch kommt. Hilfe!

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Manuel Niemann

Get Happy!?

Wir haben ja schon viele Magazine und ihre Entstehungsgeschichte vorgestellt, aber ein Magazin, dessen Ursprung in einem Online-Forum zu suchen ist, ist auch für uns neu. In eben jenem Forum des deutschen Rolling Stone Magazin enstand bei einigen Usern 2011 die Idee zu einem eigenen Heft, schon wenig später lag die erste Ausgabe von Get Happy!? vor. Mittlerweile kann die Redaktion die fünfte Veröffentlichung präsentieren. Diese setzt ihren Schwerpunkt auf Montreal und Sherlock Holmes, wie Benedict Cumberbatch auf dem Cover bereits erahnen lässt.

Musikalisch zeigt Get Happy!? eher Interesse an Traditionen und Nachhaltigkeit. Hypes und Eintagsfliegen haben keine Chance. Dadurch bekommt das Heft natürlich auch eine herrlich nerdige Note und erinnert an einen verschrobenen Plattendealer, der über die aktuelle Musik nur resigniert den Kopf schütteln kann und dich mit dem kompletten Backkatalog von Leonard Cohen nach Hause schickt. Diesen Old-School-Modus zieht Get Happy!? auch im Layout durch. Manche Magazine mögen moderner aussehen, sind dadurch aber auch austauschbarer. Hier macht jemand sein eigenes Ding!

Warum soll ich das lesen?
Get Happy!? ist das Magazin, das dir dein cooler Onkel unter den Weihnachtsbaum legt.

Risiken und Nebenwirkung
Dein Onkel darf niemals von deiner Leidenschaft für Helene Fischer erfahren.

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Florian Tomaszewski

Shift


Digitale Mode-Begriffe gibt es heute zuhauf. Zwei davon sind “Crowdfunding” und “Digital Natives”. Und immer öfter geht nichts ohne Nummer eins (für die Finanzierung), um Nummer zwei (die Leser) zu erreichen. Klingt etwas kompliziert, hat bei dem Shift-Magazin aber funktioniert.

Das Thema der ersten Ausgabe ist ambitioniert: Wahrheit. Das von Daniel Höly gegründete Magazin versucht, die unterschiedliche Perspektiven auf diesen nicht gerade kleinen Begriff einzufangen. Und dabei äußern sich Stimmen aller Art: von klassischen Journalisten und Schriftstellern bis zu den greisbärtigen Hütern der Wahrheit, den Theologen und Philosophen.

Ähnlich bunt geht es auch außerhalb dieser Essays und Geschichten zu: Mal gehalten im Befindlichkeits-Jargon à la Neon, ist Shift an anderen Stellen wie die Kulturpresse, die sich interessanten Kunstprojekten widmet. Und manchmal wirkt das Magazin wie eine Facebook-Gruppe, gedruckt auf Papier; dann tritt Chuck Norris gegen Hans Sarpei an. Schließlich ergibt sich noch der Spagat zur vielseitigen, seriösen Reportage.

Vor allem der letzte Aspekt macht Shift zu etwas Besonderem: Da gibt es z.B. eine Fotoserie von Drogenabhängigen, die diesen ihre Würde lässt. Eine Reportage über “Smokey Mountain” porträtiert eine zur Kleinstadt mutierte Müllinsel auf den Philippinen und als Leser meint man den Gestank fast schon wahrzunehmen. Und ein Stück nähert sich dem Thema Prostitution in Deutschland, schon bevor eine Debatte darüber von allen angestoßen wurde.

Auf Papier gedruckt, ersetzt das Umblättern der Seiten das Klicken des Links. So oder so, in Heftform oder im Netz: Vom Banalen zum Tiefgründigen und zurück zur Popkultur dauert es nur wenige Momente. Wenn es im Untertitel des Heftes also heißt “Für Menschen mit Mut zur Veränderung”, dann ist das wörtlich zu nehmen.

Warum soll ich das lesen?
Es ist wie im alten afrikanischen Sprichwort: “Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können sie per Crowdfunding ein vielfältiges Print-Magazin für die digitale Generation gründen.”

Risiken und Nebenwirkungen
Enthält deutlich weniger Content als Wikipedia.

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> Vorschau auf die aktuelle Ausgabe

Ulrich Mathias Gerr

Flow

Ein kurzer Blick ins Heft und das erste Vorurteil steht: Papiergeschenke? Ist Flow so etwas wie eine “Yps für künftige Mütter”? Am besten noch mal von vorne. Flow ist ein Magazin von Frauen für Frauen. Für diejenigen, die sich etwas Mädchenhaftes bewahrt haben, ohne zwanghaft jung zu wirken. Dazu passt auch der Verzicht auf Klatsch und Tratsch, ein Klischee, das sonst bei keiner Frauenzeitschrift fehlen darf. Vielleicht macht aber auch das den Erfolg des Magazins aus: In den Niederlanden ist Flow bereits sehr erfolgreich am Kioskstand vertreten.

Die Macherinnen schwärmen geradezu von ihrer Liebe zu Papier. Im Bekanntenkreis nachgefragt, scheinen die vielen Heft-Beigaben aus Papier in der Tat einen (weiblichen) Nerv zu treffen. Das Heft geht mit diesem Rohstoff geradezu verschwenderisch um. Flow ist randvoll mit Illustrationen und lädt dazu ein, sich immer wieder damit zu befassen, sich hier und da einmal festzulesen. Wie oft das Heft nach der Probeausgabe erscheint, steht erst im neuen Jahr fest, wenn die zweite Ausgabe Anfang Februar veröffentlicht wird.

Den niedlichen, aber etwas verschrobenen Do-It-Yourself-Ideen stehen eine clevere Mischung aus (Frauen-)Portraits, praktischer Lebenshilfe und positiver Psychologie gegenüber. Alles zusammen genommen ergibt einen weiblichen Lebensentwurf auf der alternativen Seite.

Warum soll ich das lesen?
Du hättest gerne endlich einen Beziehungsratgeber, der den Namen verdient? Du trägst dein Moleskine-Notizbuch stets bei dir und schreibst darin – natürlich – mit Füller? Du fühlst dich im Hochglanzblätterwald nicht ernst genommen? Dann bist du schon fast im Flow.

Risiken und Nebenwirkungen
Auch Frauen können Nerds sein! Etwa, wenn sie Handtaschen basteln, die Smartphones von der Außenweltstrahlung abschirmen. Mehr Entschleunigung war nie, mehr Verschrobenheit aber auch nicht.

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Manuel Niemann

Tonic

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Das aus einem “einfach mal ausprobieren” mittlerweile wirklich gute Magazine entstehen können, hat im letzten Jahr Tonic bewiesen. Zuerst als reine Online-Plattform aktiv, wagte man den Sprung zum Printprodukt. Eine Gruppe von Schreibern, Fotografen, Layoutern und Redakteuren ist verantwortlich für dieses Hefts, das mit der ersten Ausgabe noch starke Bezüge zu Neon aufwies. Sowohl vom Look als auch inhaltlich.

Die Idee eines offenen Magazins, bei dem mitmachen ausdrücklich erwünscht ist, hat uns natürlich interessiert. Wir haben Chefredakteurin Juliane Goetzke ein paar Fragen gestellt.

Wieso der Schritt von Online zu Print? Man hört doch überall, Print sei tot?
Tonic wollte nie nur Online oder nur Print machen. Uns geht es um das Spielen mit beiden medialen Formen und beides sinnvoll miteinander zu verbinden. Da ist Print lebendiger denn je. Auch im neuen Heft finden sich einige inhaltliche wie gestalterische Verknüpfungen von Print und Online.

Ein großer Teil der Macher und Beteiligten an Tonic ist Anfang 20. Ist Print da überhaupt noch von Bedeutung?
Ich selbst lese sehr gerne Printmagazine. Es ist ein ganz anderes Lesegefühl, sich für ein Heft wirklich Zeit zu nehmen, ganz in eine Geschichte einzutauchen und sich inspirieren zu lassen. Über die Begeisterung für gute Printmagazine bin ich zum Journalismus gekommen, online hätte mich das nicht so intensiv erreicht.

Welchen Anspruch habt ihr an Tonic?
Wir dürfen uns ausprobieren und dabei auch mal auf die Nase fallen – aber mit Stil! Wir wollen eine Plattform sein für junge Schreiber, Fotografen, Videoredakteure und Konzepter, die gemeinsam etwas Eigenes schaffen, sich gegenseitig inspirieren und voneinander lernen. Dabei entstehen qualitativ hochwertige Geschichten, mit jungen Blickwinkeln und außergewöhnlichen Themen.

Was macht die Produktion schwierig?
Wir wohnen in vielen verschiedenen Orten in Deutschland oder sind auch mal ein Semester im Ausland. Es ist nicht immer einfach, über so große Distanzen gemeinsam an einem Artikel zu arbeiten und neue Ideen zu entwickeln.

Tonic kommt ohne Werbung aus, ist hochwertig produziert und hat mit fünf Euro einen fairen Preis. Wie habt ihr das hinbekommen?
Wir arbeiten alle ehrenamtlich und investieren in das Projekt, wir redigieren Artikel in unseren Vorlesungen und fahren anstatt in den Urlaub auf Recherchefahrt. Den Druck unserer Hefte konnten wir durch eine Förderung durch das Programm “Jugend in Aktion” verwirklichen.

Wie war die Resonanz auf eure erste Ausgabe und wie wird es weitergehen?
Wir haben knapp 2000 Hefte verkauft und viel positives Feedback bekommen. Nebenher haben wir mit unserem Onlinemagazin unter tonic-magazin.de einen Relaunch hingelegt. Am 11. Dezember erscheint unser zweites Printmagazin mit dem Titelthema “Identität”.

Viel Glück damit, Juliane!

> Tonic online

Florian Tomaszewski

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