Mare

Es wird mal wieder Zeit für einen Big Player des Magazinmarktes. Die sollen bei Voll auf die Presse neben all den Indie- und DIY-Releases schließlich auch berücksichtigt werden. Wir präsentieren: mare, den Platzhirschen (oder besser: Blauwal) des maritimen Journalismus. In der Hamburger Speicherstadt ansässig, gibt es Die Zeitschrift der Meere seit 1997. Gegründet hat sie der Schweizer Meeresbiologe Nikolaus Gelpke, im Laufe der Zeit wurde das Portfolio um mareTV, mareRadio und marebuchverlag erweitert.

Soviel zu den harten Fakten. Was aber bietet das Heft inhaltlich? mare erzählt Geschichten von denen, die im und am Meer leben, seien sie nun menschlicher oder tierischer Natur. Und von diesen Geschichten gibt es jede Menge, schließlich projizieren wir seit jeher unsere Träume, Sehnsüchte und Hoffnungen auf das endlose Blau der Ozeane. Mit wunderschönen Bildern, umfangreichen Reportagen und abenteuerlichen Schilderungen aus der Gegenwart und Vergangenheit nährt mare unser Fernweh. Das Heft ist jedoch mitnichten ein geschönter Blick auf die Weltmeere und seine Küsten, denn es berichtet auch von ökologischen Katastrophen sowie wirtschaftlichen Krisen.

Neben den großen Reportagen und historischen Abhandlungen findet der Leser in mare Literatur-Empfehlungen, Lyrisches und eine interessante Weltkarte, die die Schauplätze der jeweiligen Ausgabe vorstellt und gleichzeitig eine erstaunliche Perspektive bietet. Ähnlich wie GEO oder auch National Geographic berichtet mare von einer Welt und seinen Bewohnern, die es unbedingt zu schützen gilt. Wo holen wir uns in Zukunft denn sonst unsere Geschichten her?

Warum soll ich das lesen?
Deine maritimen Erfahrungen erschöpfen sich in Tretbootfahren und Ostee-Urlaub mit den Eltern. Hol dir mit mare deinen Teil vom Kuchen.

Risken und Nebenwirkungen
Dein Körper ist in einem so desolaten Zustand, dass du nur das Wort “Meer” lesen musst, um seekrank zu werden.

> mare online

Florian Tomaszewski

Inforama

Unser Leben ist so kompliziert geworden, so hektisch und unübersichtlich. Vielleicht sind Infografiken, Statistiken und Schaubilder darum so beliebt. Sie erklären uns so ein bisschen, was die Welt zusammenhält. Okay, aber brauchen wir dafür noch Print, wo es doch alles im Internet nachzuschlagen gibt? Die Macher von Inforama sagen: ja (mit einem ganz anderen Modell übrigens auch die Kollegen von In Graphics, das wir ebenfalls besprochen haben). Und präsentieren ein kleines Heft in monatlicher Folge, das mit unterschiedlichsten Infografiken aufwartet. Da darf sich dann jeder aussuchen, was ihn interessiert: Welche Autos werden bevorzugt geklaut? Ist eher egal, und die Grafik, die das Geschäftsmodell “Groupon” erklärt, fast schon Werbung. Eine Doppelseite über die schlechtesten Deals im Internet gleicht das dann wieder aus. Die Auswahl lässt sich also noch verbessern, aber das dürfte das kleinste Problem sein.

“Hier gibt es keine Texte, nur Grafiken in hoher Qualität.” lautet das einleuchtende Motto, das die Macher von Inforama ausgegeben haben. Und da haben wir das größere Problem: “Statistiken sind sinnlos, mit ihnen kann man alles mögliche beweisen.” Ging nicht so der Spruch? Besonders aber sind Statistiken ohne Begleittext nicht immer sehr aussagekräftig. Wer fasziniert die Excel-Kurven und zumeist bildhübschen Auflistungen nachvollzieht, denkt das Gegenteil. Das Wissen der Welt, versammelt in kunterbunte Grafiken? Bleibt schwierig. Beispiel? Auf Seite sechs werden die Arbeitsstunden in den entwickelten Industrienationen verglichen. Die Überschrift lautet: “Faulheit – Schlüssel zum Fortschritt.” Als wäre dieses Thema so simpel zusammenzufassen. Das ist fast schon gefährlich.


Abgesehen davon löst die Nullnummer von Inforama ein, was sie verspricht: kompetente Grafiken in einem schön gemachten Heft. Okay, es ist eher eine Broschüre von mickrigen acht Seiten (vielleicht kommt da ja noch viel mehr). Dafür ist sie aber auch gratis in Cafés und Bar zu haben und eignet sich von Format und Umfang wunderbar zum Durchblättern. Zumindest bis das Date erscheint…

Warum soll ich das lesen?
Bewaffne dich. Mit Wissen. Und beeindrucke Freunde und Bekannte.

Risiken und Nebenwirkungen
Tortendiagramme und Zahlen über Zahlen wiegen dich in falscher Sicherheit. Du glaubst jetzt, das System zu verstehen. Das ist gefährliches Halbwissen, aufgepasst!

> Inforama online (mit Auslagestellen für das Heft)

Sven Job

romka magazine

Sie liegen in Schubladen und Kisten, versteckt auf dem Speicher oder im Keller: Fotos. Jedes Einzelne davon erzählt seine eigene Geschichte. Ein Augenblick des Lebens, festgehalten für die Ewigkeit. Das romka magazine gibt diesen persönlichen Erinnerungen eine eigene Plattform und zeigt damit, dass große Kunst meist im Alltäglichen zu suchen ist.

Der Herausgeber Joscha Bruckert entwickelte romka zunächst als Online-Projekt während seines Fotografiestudiums in Dortmund und veröffentlicht seit 2010 in Magazin-Form. Das Prinzip ist so einfach wie genial: Menschen aus aller Welt schicken ihre Fotos ein und erzählen die Geschichte dahinter. Dabei werden sowohl die Fotos von Amateuren als auch von Profis gezeigt. Zu unterscheiden sind sie im Heft bewusst nicht. Das Design von romka ist schlicht und konzentriert sich ganz auf die Kraft der abgebildeten Fotos.

Der Reiz des Magazins, das seit 2011 durch den Grafiker Benedikt Bock gestaltet wird, liegt darin, die Grenzen von Kunst und privatem Schnappschuss zu verwischen. Einige Fotos könnten genau so in bedeutsamen Galerien hängen oder eben über dem Küchentisch deiner Oma. romka zeigt die Bilder in einem neuen Kontext und macht das Private zu großer Kunst.

Warum soll ich das lesen?
Es wird Zeit, die alten Fotoalben aus dem Keller zu holen und an romka zu schicken. Vielleicht findest du dich in der nächsten Ausgabe wieder.

Risiken und Nebenwirkungen
Das kann auch schiefgehen. Statt im romka magazine erscheint dein Foto in der Dos & Dont’s-Rubrik des Vice Magazines. Natürlich auf der falschen Seite.

> romka online

Florian Tomaszewski

AORTICA

Mutter, Vater und Kind machen eine Reise: 6 Wochen Neuseeland. Das Ergebnis dieser Unternehmung halten wir mit dem fantastischen AORTICA in den Händen. Aber der Reihe nach: 2010 veröffentlichen Mone und Piero Borsellino (der bereits zuvor  zum Visual Leader des Jahres für M Publication ausgezeichnet wurde) mit  AORTICA – The Frankfurt Issue die erste Ausgabe ihres kreativen Reiseführers. Für diesen werden sie zu Recht abgefeiert und mit dem red dot design award prämiert. Schnell ist klar, dass ein Nachfolger her muss. Die beiden recherchieren, reisen, werden Eltern. Und machen das, was für andere junge Familien nach Science Fiction klingt: Sie reisen zu dritt durch Neuseeland. AORTICA – The Auckland Issue / New Zeeland ist also auch das Ergebnis großer Herausforderungen und ein überaus persönliches Werk.

Das buchdicke und englischsprachige Magazin mit dem Untertitel “International Magazine About Local Schöpfungskraft And Hardworking Squirrels”, taucht tief in die kreative Szene Aucklands ein. Es portraitiert Künstler (eben jene “Hardworking Squirrels”) , gibt einen Einblick in ihre Arbeit und zeigt damit, dass eine Stadt ohne gelebte ”Schöpfungskraft” wohl kaum existieren kann. Die Illustrationen von Mone Borsellino, aka Mone Maurer, stellen die jeweiligen Personen vor. Gleichzeitig ist AORTICA aber auch ein Reiseführer voller Insider-Tipps, schließlich verrät jeder der Portraitierten seine Lieblingsorte der Stadt; der Leser findet einen “Insiders Guide to Auckland” mit vielen wertvollen Hinweisen. In ihrem “Travelogue” lassen Mone, Piero und ihr Sohn Eliah Borsellino den Leser an ihrem 6-wöchigen Abenteuer teilhaben und stellen außerdem ihre mitgebrachten Souvenirs vor.

Mit der Hilfe von verschiedenen Illustratoren und Fotografen, darunter Newcomer wie Harley Jones oder der bekannte Fotokünstler John Gossage, ist ein Magazin entstanden, dessen Leidenschaft und Hingabe sich auf den Leser überträgt, sobald er das erste Mal über den Einband streicht. Dafür gab es zu Recht eine Nominierung für den German Design Award. Ein Road Trip ist AORTICA, eine Reise ins pumpende Herz der Stadt. Wir sind unwürdig!

Warum soll ich das lesen?
Solltest du dich nur etwas für Magazine interessieren, und davon gehen wir bei unseren Lesern aus, dann wirst du es nicht bereuen!

Risiken und Nebenwirkungen
Neuseeland? Das ist doch… NEIN! Hobbits kommen hier keine vor.

> Aortica online

Florian Tomaszewski

Perdiz

Wie viel Glück passt in ein Heft? Das spanische Magazin Perdiz (dt.: das Rebhuhn) widmet sich dem, was Menschen glücklich macht und kommt damit immerhin auf 90 unterhaltsame Seiten. Die Texte werden parallel auf spanisch und englisch gedruckt. Glücklich machen demnach Magic-Karten, Tauben oder mit nacktem Hintern in der Sonne sitzen. Eine Tierpräparatorin berichtet über die Freuden ihrer Tätigkeit ebenso wie ein Britney-Spears-Double oder Menschen, die in ihrer Freizeit als Superhelden tätig sind.

Perdiz ist Fotoessay, Reportagemagazin und Sammelalbum. Warum zaubern Bergtouren auf dem Fahrrad manchen Menschen ein Strahlen ins Gesicht? Was hat es mit dem japanischen Lächeln auf sich? Und warum findet ein 14-Jähriger seine größte Freude in Mathematik? Perdiz geht diesen Fragen auf den Grund und schafft dabei noch Entscheidendes: Es macht seinen Leser glücklich.

Warum soll ich das lesen?
Du könntest auch mal wieder lächeln.

Risiken und Nebenwirkungen
Wieso Nebenwirkungen? Darf man nicht einfach mal glücklich sein?

> Perdiz online

Florian Tomaszewski

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