The Heritage Post

“Werte Herren…” Huch, wann wurde man denn zuletzt so angesprochen. Überhaupt schon einmal? Uwe van Afferden begrüßt in seinem Vorwort den männlichen Leser des Magazins The Heritage Post jedenfalls mit genau diesen Worten. So seltsam anachronistisch wie die Anrede seines Herausgebers wirkt das gesamte Heft. Eine Parallelwelt aus Leder, Chrom und schwerem Holz, in der die Antwort auf die Krise des modernen Mannes ein Rib-Eye-Steak mit Spiegelei und Bratkartoffeln ist.

Seit 2012 erscheint The Heritage Post viermal im Jahr und fällt vor allem durch seine gezeichneten Cover auf. Inhaltlich bedient das Düsseldorfer Magazin eine ähnliche Sehnsucht wie Landlust oder der Katalog von Manufactum. Die Sehnsucht nach einer Welt der Wertigkeit nämlich bei gleichzeitiger Abgrenzung zum Massenkonsum. The Heritage Post nimmt dabei die männliche Perspektive ein, zeigt Rasiermesser, Pomade und Denim. Aus der Zeit gefallene Produkte, die als Gegenentwurf zur Entmannung durch den rasanten technischen Fortschritt gesehen werden können. Überhaupt Männer: In The Heritage Post sind sie häufig bärtig, immer stilvoll und voller Virilität. Das feminine Zeitalter? Im Heft ist keine einzige Frau abgebildet.

Im Unterschied zu anderen Magazinen mit männlicher Zielgruppe, die sogleich immer die Anerkennung durch die Frauen im Blick haben, zeigt The Heritage Post den Mann als Wesen, das sich selbst genügt. Glücklich sitzt er auf schweren Motorrädern, hinter dem Steuer eines Hot Rods oder einfach auf einem Stuhl – natürlich mit lebenslanger Garantie. Der Mann tut, wonach ihm ist. Hier hat rauchen noch Stil und wer sich rasieren will, der macht das gefälligst mit antikem Rasiermesser und Pinsel. Dann gibt es da noch die Kochrezepte, deren Hauptzutat stets, natürlich, Eier sind.

Wer genau liest wohl The Heritage Post? Automechaniker im Feierabend? Cowboys im Schein ihres Lagerfeuers? Wohl eher eine gut situierte Großstadt-Bohème, deren Ledertasche fürs iPad einer kleinen Manufaktur im Schwarzwald entstammt. Der guten alten Zeiten wegen…

Warum soll ich das lesen?
Um die Zeit zwischen Deiner Waxing-Behandlung und Partneryoga sinnvoll zu nutzen.

Risiken und Nebenwirkungen
Eine ausgeprägte Identitätskrise. Deine Leidenschaft für Musicals behältst Du ab jetzt lieber für Dich, Tiger!

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Florian Tomaszewski

Nebulosa

Gespenster sind bei uns mit einer ganz bestimmten Erwartungshaltung verbunden. Weißes Bettlaken, zwei Schlitze für die Augen, vielleicht noch eine rasselnde Fußkette und lautes “Buhuuu”-Geschrei. Schon in Kinderbüchern werden Gespenster selten anders dargestellt, meist sogar noch mit einem freundlichen Grinsen versehen. Die dritte Nebulosa-Ausgabe wirft einen anderen Blick auf Spuk und Gespenster.

Ebenso wie die hier vor einiger Zeit vorgestellten Tierstudien, wird Nebulosa – Zeitschrift für Sichtbarkeit und Sozialität vom Berliner Neofelis-Verlag herausgegebenNebulosa legt seinen Fokus dabei auf “Untersuchungen des Erscheinens, Verbergens und Wahrnehmens”, wobei jede Ausgabe einen eigenen Themenschwerpunkt hat. In seinem Taschenbuchformat, dem überwiegenden Verzicht auf Fotos und der Fülle an Fußnoten, unterscheidet es sich kaum von Tierstudien. Die Texte sind kulturwissenschaftliche Auseinandersetzungen zu Spuk und Mythen. Wer sich davon nicht erschrecken lässt und heute noch gerne in seiner Magisterarbeit schmökert, der wird an Nebulosa zweimal im Jahr seine Freude haben.

Warum soll ich das lesen?
Artikel, die Überschriften wie “Phantasma der Identität in Diderots Paradoxe sur le comedien” tragen, werden von dir mit Freude verschlungen? Dann ist dies dein Mag!

Risiken und Nebenwirkungen
Du verstehst schon die oben genannte Überschrift nicht? Dann versuch’ es doch mit Casper – Der freundliche Geist.

> Nebulosa online

Florian Tomaszewski

Quottom

Ein junger Mann in Anzug, dem Betrachter abgewandt, ein Cover in Rot und Weiß, der Titel liest “Angst und Sehnsucht”. Jetzt dämmert es auch dem Letzten: Der Sommer ist ausgebrochen! Spaß beiseite, schließlich ist die Erstausgabe von Quottom schon im Winter 2013 erschienen. Und Spaß beiseite, denn das Thema nimmt sich unserer innersten Gefühlen an, die wir oft genug lieber wegschließen. Die Angst. Die Sehnsucht. Trotzdem gibt es ab und zu auch was zu lachen.

Wohin des Weges, geschätzte Generation

Ein Beispiel: Auf einer Doppelseite stehen die gesammelten Gedanken der Redaktion, die im Halbsuff abgegeben werden. Kennen wir alle, schreiben wir aber nicht auf (schade eigentlich). Und da stehen sie dann, die Weisheiten der Jungen, der Betrunkenen und Unschuldigen. Im Großen betrachtet, dominieren auf knapp 250 Seiten aber Essays, die mehr wollen als den Wodkawitz, dabei wieder und wieder von Bilderstrecken und zuweilen farbenprächtigen Illustrationen unterbrochen werden. Und wenn es um Inhalte geht, dann geht es um alles: unsere Sucht zur Individualität, vergeigte Lebenswege, radikale Mode, eine – unsere – ziellose Generation. Viele Autoren scheinen die Antworten auf die drängenden Fragen, die sie aufwerfen, nicht zu kennen. Das macht Quottom so sympathisch. Und so konsequent im Thema: Sehnsucht nach Einsicht? Angst vor dem weißen Blatt? Kein Problem, haben wir alle.

Viele der Fotos lockern den Textfluss auf; das ist gut so. Die Schwere verschwindet, und die “Fotografen, Schreiberlinge und Kunstschaffenden” dürfen ein Heft entwerfen, das zwischen Popkultur und Existenzialismus, Reflektion und Fashion viel versucht. Und manches mit Bravour meistert.

Warum soll ich das lesen?
Du stellst Dich Deinen Ängsten. Ein Hoffnungsschimmer für das Nervenkostüm.

Risiken und Nebenwirkungen
Du stellst Dich auch den 250 Seiten. Dabei ist doch Sommer!

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Sven Job

Fizzy

Swag, wack, Fizzy Mag

Heute lesen die Jugendlichen nicht mehr, sie Simsen. Die meisten gehen auch nicht mehr zur Schule, sie treiben sich bei Hollister und Weekday rum. Oder verkaufen Drogen. Jeder Mensch unter dreißig ist sehr oberflächlich. Geil, dass diese abgeranzten Klischees einfach mal bestätigt werden. Ganz affirmativ.


Hochglanz, bisschen nackte Haut und bitte nichts zu lesen: Fizzy Magazine nimmt sich lustvoll jeder Pose an, die die smarte und geschmackssichere Jugend kennt, um damit die eigenen Eltern zu schocken – wenn das denn überhaupt noch geht. Und daher könnten das auch alles potentielle Leser der Fizzy sein: Hipster, ex-Bravo-Leser, Undercut-Träger, 16-jährige Mädchen aus gutem Hause und Modefotografen. Vom Heftrücken schreit es “A HIGHER LEVEL OF AWESOME” und irgendwie passt das ganz gut – so durchgeknallt und bubblegum ist das Heft, das kann eigentlich nicht aus Hamburg kommen, eher aus den Staaten oder England. Denn wenn in Deutschland Jugendmagazine erscheinen, schwingt immer ein Gestus mit, der die Welt erklären will. Fizzy ist zwar weniger ein konventionelles Heft als ein Lookbook – auf knapp 140 Seiten wird Fashion von Models präsentiert. Wer den Vergleich mit SPIESSER, Neon, fluter, Bravo, VICE trotzdem macht, kann feststellen: Fizzy bekommt den geilen Hüftstoß zur Coolness ziemlich gut hin.

Also ich hätt’ Bock

Fizzy setzt sich in den Futternapf der Zielgruppe – zwischen Mofa-Führerschein und Berghain. Am Ende entsteht ein Heft, das man platt, grell, banal finden kann. Aber nicht misslungen. Und jetzt alle: Yolo. YOLO! YOLO, verdammt!

Warum soll ich das lesen?
Du möchtest Teil einer Jugendbewegung sein. Jetzt gib’s schon zu.

Risiken und Nebenwirkungen
Der nächste Gangnam Style kommt bestimmt.

> Fizzy Magazine online

Sven Job

 

Die Epilog

Zwei Begriffe fallen in der beiliegenden Presseinfo auf: “Optimismus” und “Möglichkeiten”. Schließlich reden doch zur Zeit alle lieber von Krisen, Zusammenbrüchen und Agonie. Bezogen auf die Medienlandschaft scheint Positivismus da eigentlich nicht angebracht. Und dann kommt mit DIE EPILOG plötzlich ein neues Magazin um die Ecke, das uns die Angst vor dem Gesellschaftswandel nehmen will und gleichzeitig den Sprung in den Printmarkt wagt. Das Magazin transportiert seinen Untertitel “Zeitschrift zum Gesellschaftswandel”  bewusst über ein klassisches und häufig schon abgeschriebenes Medium. Da gehen wir natürlich begeistert mit.

Ein Team ehemaliger Studenten der Bauhaus-Universität veröffentlicht DIE EPILOG vierteljährlich im Eigenverlag. Um der Größe des Themas zu begegnen, geht jede Ausgabe ihrem eigenen Schwerpunkt nach. In der ersten Ausgabe wird dieser mit “Nicht Resignieren! Irgendwas geht immer.” beschrieben. Zusätzlich findet eine inhaltliche Einteilung in die Bereiche “Die Gesellschaft”, “Die Medien”, “Die Ästhetik” und “Die Zeit” statt.

Die Texte behandeln popkulturelle Themen wie den “Like-Button” bei Facebook, das Sample und, in einer Art Selbstbetrachtung, die Printmedien. Ebenso setzen sich die Autoren auch mit der Bedeutung von Idealismus und Nostalgie auseinander und besonders dann kann DIE EPILOG seinen akademischen Hintergrund nicht leugnen. Die ein oder andere Reportage würde dem Magazin gut stehen und das Ganze etwas auflockern.

Das Layout von DIE EPILOG erinnert an die DUMMY, eines der großen Gesellschaftsmagazine im Zeitschriftenhandel, und hier wirkt das Heft bereits sehr professionell und durchdacht. DIE EPILOG wird sich hoffentlich auf dem Markt behaupten können, das Thema “Gesellschaftswandel” ist auf jeden Fall spannender Stoff. Aber wir schließen uns da ganz dem Optimismus der Macher an: Irgendwas geht immer.

Warum soll ich das lesen?
Mal keine Angst vor dem großen Wandel haben. Das klingt verlockend.

Risiken und Nebenwirkungen
So viel Optimismus. Ist das noch Punk?

> DIE EPILOG online

Florian Tomaszewski

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