Was ist Indie? Unter diese Frage haben Malte Brenneisen und Urs Spindler ihr Festival für unabhängige Magazine gestellt. Und stattfinden sollte die erste Indiecon 2014 im hochsommerlichen Hamburg, direkt an der Alster. Anfang September kamen sodenn Magazinmacher, Verleger und Branchenmenschen zusammen für Workshops und Heft-Präsentationen, für kleine Gespräche unter vier Augen und große Debatten auf der Bühne. All das im edlen Ambiente einer Villa und dort vor allem im “Goldenen Salon”.
Der Salon ist Teil der Heinrich Heine-Villa, in der früher übrigens auch die Redaktion des Tempo Magazins saß. Eine Location mit Geschichte und ein guter Boden, um Magazin-Ideen auszutauschen und mit Gleichgesinnten zu schnacken. Oder wenigstens eine gute Zeit zu haben.
Das hatten wir alles. Weil wir aber auch etwas mehr von der Indiecon mitnehmen wollten als den Jutebeutel voller Magazine von Read bis Über und niemand Inhaltsangaben lesen mag – hier sind unsere Eindrücke, eingedampft auf 99 Fußnoten. Na fast. Ungefiltert, subjektiv und mit einem Beck’s in der Hand.
Eine Convention in Fußnoten
“An alle, die noch ganz unten sind: Keep cool.”
(Gabriele Fischer, Brand Eins)
Wer ein Magazin herausbringt, der braucht Zeit. Und einen langen Atem. Doch es zahlt sich aus, darin sind sich alle einig. Gabriele Fischer kann davon ein Lied singen; nach nunmehr 15 Jahren hat sie es mit ihrem Wirtschaftsmagazin Brand Eins zur 100 000er-Auflage gebracht.
“Ein Bäcker mit nur einer Filiale ist auch Indie.”
(Ale Dumbsky, Read)
Und das heißt: Indie bedeutet also erst mal nichts. Du machst ein kleines Heft, oder ein großes, es gibt Dein Magazin schon ewig oder erst seit gestern. Du klebst die Seiten in der Garage von Papa zusammen oder druckst Hochglanz: Der Begriff Indie kann diese Branche nicht definieren. Aber kann das überhaupt ein einziger Begriff?
“Große Verlage, kleine Klitschen – das ist was für die Schublade.”
(Oliver Gehrs, Dummy)
Mit diesen einfachen Einteilungen ist es vorbei. Oder wenigstens fast. Und überhaupt: Wer hier auf der Indiecon 2014 ein gemeinsames Abfeiern des Labels “Indie” erwartete, wurde schnell eines Besseren belehrt. Oliver Gehrs (Dummy) hält den Begriff für gefährlich, Ale Dumbsky (Read) ist davon genervt und auch Gabriele Fischer (Brand Eins) weist den Begriff von sich. So unterschiedlich die Magazine, so unterschiedlich auch die Argumente.
Die Zielgruppe gibt es nicht mehr. Dafür aber tausende.
Den Spiegel liest heute jeder und keiner mehr. Auch bei den Indies hat jedes Magazin eine mehr oder weniger heterogene Leserschaft. Oder wie Gabriele Fischer es ausdrückt: “Bei uns [Brand Eins] gibt es den Hartz-IV-Leser und den Vorstandsvorsitzenden.”
Indie heißt nicht, dass man nicht erfolgreich sein will.
Und das ist sowohl positiv als auch negativ gemeint – je nachdem, wer sich an diesem Wochenende zu Wort meldete. Oliver Gehrs (Dummy) etwa störte sich daran, dass man vielen Indie-Magazinen in ihrer Oberflächlichkeit einfach ansehen könne, dass sie erfolgreich sein wollen – gleichzeitig ärgerte sich der Herausgeber, mit Dummy immer noch unter “Indie” zu fallen. Und überhaupt: “Es sollte immer das Ziel sein, dass man seine Miete zahlen kann.” (Gabriele Fischer)
“Technik? Das kann jeder und seine Mutter.”
(Ale Dumbsky)
Content bleibt King. Oder: So sollte es sein. Denn: “Es gibt immer noch zu viele Hefte, die nicht weh tun.”
Zu dieser Fußnote gehört ein Fragezeichen. Denn während sich die einen weiterhin Magazine wünschen, auf die sich alle (oder: viele) einigen können, geben andere nur noch der Nische eine Chance. Denn die Frage bleibt: Sind Magazine wie The Weekender (Freizeit), Brand Eins (Wirtschaft) oder The Germans (Politik und Gesellschaft) nicht schon sehr massenkompatible Veröffentlichungen?
“Mach Dich interessant! Erweitere Dein Angebot!”
Denn das Geschäft da draußen ist ein Haifischbecken und Fische schwimmen darin sehr sehr viele. Steve Watson betreibt einen kuratierten Magazin-Versand und liebt Indie. Und er sagt: Lass Dir was einfallen. Und wenn es bedruckte Kaffeetassen und Shirts sind.
“Relevanz ist wichtig.”
(Michael Hopp, ex-Chefredakteur Wiener)
Klingt banal, ist aber ein Thema, das auf der Indiecon 2014 immer wieder angesprochen wurde. Oliver Gehrs etwa störte sich an Magazinen, für die der normale Leser erstmal einen Beipackzettel brauche, um sie zu verstehen. Und Michael Hopp brachte zum Ausdruck, was er von manchem Indie-Magazin hält: Zu brav, zu diffus, zu nett. Wie aber macht man sein Heft relevant? Mit der harten Realität – Konflikt, Gewalt, Sex. Klare Ansage.
“Print hat einen Anfang und ein Ende. Das ist das Großartige daran.”
Warum lieben wir Print so sehr? Wer etwas drucken will, richtig auf Papier, “der gibt sich einfach mehr Mühe” (Dumbsky). Und wer sich die irrwitzige Idee, ein eigenes Magazin zu veröffentlichen, erst mal in den Kopf gesetzt hat, der bringt es (im besten Fall) auch zu Ende. Und dann ist es in der Welt. Und bleibt da.
We got 99 problems but Indie ain’t one.
Morgen lest Ihr hier das Interview mit den Machern Urs & Malte.
Und unsere Eindrücke zu den Magazinen liefern wir auch noch nach.
Sven Job
Fotos: Florian Tomaszewski (1),
alle weiteren: Malte HM Spindler / DIE BRUeDER / Indiecon 2014