Das Heft und das Netz: Indiemags

Malte Brenneisen und Urs Spindler haben ihre Master-Arbeit über Indiemags geschrieben.

Print is not dead – im Gegenteil, manchmal scheint es fast so, als liefe es eigentlich nicht schlecht am (globalen) Zeitschriftenmarkt. Wenn auch viele Zeitungen eingehen und etablierte Flagschiffe wie Spiegel und co. an Auflage verlieren –  neue (Nischen-)Magazine kommen in die Kiosk-Regale, die mit jungen Ideen, Qualitätsjournalismus und tollem Layout überzeugen wollen.

Viele neue Möglichkeiten eröffnet dabei das Netz, ob dies nun die Finanzierung durch Crowdfunding ist, die Vernetzung weltweiter Leserschaften und Journalisten, die zu einem Thema zusammen finden oder die Entstehung neuer Communitys, die die Liebe zum gedruckten Heft verbindet.

In der Reihe “Das Heft und das Netz” wollen wir Projekte und Websites vorstellen, national und international.

Wir stellen vor: die Jungs von Indiemags, die Journalisten Malte Brenneisen und Urs Spindler. Wie sehen sie die Zukunft des Hefts zwischen Netz und Papier?

Wie heißt eure Plattform und was macht ihr?
Indiemags.de ist ein offenes Verzeichnis für unabhängige, gedruckte Magazine aus Deutschland. Wir haben die Seite während unserer Masterarbeit am Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Uni Hamburg gestartet. Seitdem ist das Archiv kontinuierlich gewachsen und inzwischen eine der umfassendsten Sammlungen für aktuelle “Independent Magazines” im deutschsprachigen Raum. Auf indiemags.de findet ihr Basisdaten zur Erscheinungsweise, zur Organisationsform und zu den Vertriebswegen von Indiemags, also Magazinen, die unabhängig von einem Großverlag erscheinen.

Wem gehört die Zukunft? Print, Webzines oder Blogs?
Als Kommunikationswissenschaftler müssten wir jetzt das Rieplsche Gesetz auspacken – demnach würden die Magazine womöglich als edles Nischenprodukt erhalten bleiben, so wie das Vinyl im Zeitalter digitaler Soundfiles. Als Journalisten und Magazinfans haben wir natürlich die Hoffnung, das Print in seiner schönsten Form erhalten bleibt. Wir merken allerdings, wie wichtig Online für die Printwelt geworden ist. Submit, Share, Like und Comment – das sind Instrumente, mit denen heute jeder seine Meinung kundtun oder auf seine Weise an der Distribution oder Gestaltung von Inhalten mitwirken kann. Diese Empfehlungs- und Netzwerkkultur ist ein Nährboden für Magazinmacher, egal ob sie gedruckt oder digital unterwegs sind.

Wie sieht der deutsche Indie-Markt aus?
Es gibt eine gewaltige Bandbreite. Die Auflagen gehen von 100 bis zu 100 000 Exemplaren – und die Magazine erscheinen in den kunstvollsten Formen. Bei einigen beobachten wir einen hohen Grad an Professionalität, was daran liegen könnte, dass viele Kreative mit entsprechender Ausbildung und Berufserfahrung am Werk sind. Und die Indiemag-Macher sind ein ziemlich freundlicher und gut vernetzter Haufen.

Viele sagen immer noch, Print sterbe. Gleichzeitig gibt es auch immer mehr Indie-Magazine. Wie erklärt ihr euch das?
Mit dem Revival-Gedanken sind wir auch gestartet und relativ schnell ernüchtert worden. Es hat in jeder Epoche der Neuzeit unabhängige, “kleine” Medien gegeben. Die frühsten Beispiele, die wir gefunden haben, sind Flugblätter aus der Zeit der Reformationsbewegung und der Bauernkriege im 16. Jahrhundert. Dann gab es Zeitschriften des aufstrebenden Bürgertums im 18. Jahrhundert, Zeugnisse der Arbeiterbewegung aus dem 19. Jahrhundert. Von der Wissenschaft viel beachtet wurde in Deutschland auch die Alternativpresse, die sich aus den neuen sozialen Bewegungen in den 1970er und 1980er Jahren entwickelt hat. Auch im Kulturbetrieb (Kunst, Design, Architektur, Mode, Musik) gibt es schon “alte Indies”, die bis heute neben Spiegel und Stern am Kiosk liegen. Kurzum: Einen “Hype” oder ein Revival sehen wir in dem Zusammenhang nicht. Alternative Erscheinungsformen hat es in Print immer gegeben. Was die aktuellen Indies besonders macht, wollten wir in unserer Studie herausfinden.

Könnt ihr bei den Indiemags ein Muster ausmachen?
Wir haben insgesamt 102 Titel hinsichtlich ihrer internen Organisation (Unternehmensform, Finanzierung, Redaktion, Vertrieb) sowie nach inhaltlichen und formalen Kriterien (Material, Format, Themen, Sprache) quantitativ untersucht. Das verbindende Element der untersuchten Zeitschriften ist ihre wirtschaftlich-technische Unabhängigkeit. Den größtmöglichen Handlungsspielraum haben Redaktionen dann, wenn diejenigen, die inhaltlich verantwortlich sind, zugleich die wirtschaftlichen Prozesse des Mediums lenken. Simpler ausgedrückt: Die Chefs sind in einer Person auch die Magazinmacher – egal ob als Herausgeber, Redakteur, Kreativdirektor, Grafiker, etc.

Und noch ein bisschen Statistik: Das Durchschnitts-Indiemag kommt aus einer Metropole wie Berlin oder Hamburg und wird von einem Redaktionsteam ohne ausgeprägte Hierarchie organisiert. Es wurde in den vergangen fünf Jahren gegründet, erscheint viermal jährlich in einer Auflage von durchschnittlich 13 000 Exemplaren, bietet Platz für Anzeigen (Preis für eine Ganzseite: rund 3000 Euro) und kostet im Direktvertrieb etwas mehr als 8 Euro. Es ist tendenziell in einer Umschlagklappe mit Klebebindung broschiert und umfasst 119 Inhaltsseiten im Vollfarbdruck. Es widmet sich insbesondere den Themen Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur. Es erscheint auf Deutsch und ist auch online recht aktiv: Die Facebook-Seite gefällt im Schnitt 4400 Personen.

Urs und Malte, wir danken euch für’s Gespräch!

Indiemags.de ist ein offenes Verzeichnis. Hier kann jeder selbst Magazine vorschlagen.
Eine Zusammenfassung der Studie in Poster-Form gibt es hier.

Das Gespräch führte Sven Job