Päng!

Der Claim lautet “Zeit für ein neues Heft”. Das kann man leicht verlesen als “die ZEIT hat ein neues Heft”. Ein bisschen so sieht das Heft Päng! nämlich aus. Und das meinen wir positiv: ein Layout, das in sich ruht wie ein Picknick auf der Wiese im Schatten. Eigene, kleine Geschichten und die richtigen Bilder dazu. Mit leichtem Einschlag in die neue Naturbegeisterung, die auch Landlust und Konsorten ihren märchenhaften Erfolg verschafft hat.

Hier kommen die Girls vom Waffenladen

Der Titel klingt angriffslustig, aber eigentlich will das Heft nur: spielen. In den Blickpunkt rücken normale Menschen, die Vintage-Möbel sammeln. Oder das Abenteuer als Erntehelferin suchen. Seriös und anständig wirkt alles, aufrichtig und mit echter Begeisterung angegangen auf jeden Fall. Da möchte man den beiden Macherinnen Josephine Götz und Cathrin Gehle alles erdenklich Gute wünschen – noch viel mehr Hefte braucht das Land!

Die ZEIT Campus ohne Karrieretipps, doch wie die NEON mit Tipps und Tricks – so wirkt Päng!. Da beschleicht einen das Gefühl, bei der Produktion des Debüts habe man ganz besonders an die Gruppe junger Lesern gedacht, die vielleicht keinen Platten flicken können, aber so aktiv und “anpacken” sind, dass sie es lernen wollen. Oder ein Baumhaus bauen. Das alles lässt sich in der ersten Ausgabe erlernen. Eine Kurzgeschichte, ein Sex-Bekenntnis, eins, zwei Reportagen lassen aber Raum in alle Richtungen offen. Was da noch kommt, wie das Heft in einem Jahr aussieht, bleibt spannend.

Papier wird aus Bäumen gemacht

Im Editorial sprechen die beiden Macherinnen vom großen Abenteuer, das da vor ihnen vorliegt. Es liest sich so erwartungsfroh, mit Lust gemacht und brandungsvoll, dass man sofort auch will. Auf die Plätze, fertig los! Alle ans Heftemachen, am besten jetzt gleich!

Viel Spaß haben Cathrin Gehle und Josephine Götz offensichtlich beim Heftemachen.

Warum soll ich das lesen?
Das Heft ist dekorativ, macht sich gut neben jedem Kaffee Latte, in einem süßen Café an der Spree zum Beispiel. Die Tipps und Tricks sind wirklich hilfreich. Wenn Du ein Baumhaus bauen möchtest. Oder einen Gipfel im Einrad besteigen.

Risiken und Nebenwirkungen
Du kommst ein bisschen ins Grübeln, während die Haptik des Heftes noch Deine Finger umschmeichelt. Fällt er Dir nicht wieder ein, Dein Kindheitstraum? Jetzt musst Du nur noch einen Baum in Deiner Straße finden.

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Sven Job

MUH

Die einen wohnen in der Provinz und kommen mit Glück ins Berghain, um dort eine andere Welt kennen zu lernen. Wir anderen wohnen in Deutschland, und dürfen zur MUH greifen.

Heute verlieren nationale Grenzen und Befindlichkeiten an Bedeutung. Das merken wir jeden Tag, in den Nachrichten, im sozialen Netzwerk und auf YouTube. Gleichzeitig vollzieht sich eine zweite Entwicklung, etwas leiser vielleicht, aber mit voller Macht: Zurück ins Lokale und Regionale. Wenn die alten Einteilungen in Nationalitäten ihre Trennschärfe verlieren, definieren wir uns eben über die Nachbarschaft, die Stadt, die Region. Darum sprießen neue Stadtmagazine aus dem Boden, und darum hat Bayern seit etwas über einem Jahr auch ein eigenes, neues Magazin. Es heißt MUH.

Bayern geht anders

Schwer zu verstehen, dass der Freistaat so anders ist, aber es ist nun mal Fakt. Der Griff zur aktuellen Ausgabe offenbart “Bayerische Aspekte” – so der Untertitel des Hefts – die einem mehr oder weniger fremd vorkommen können, befremdlich und faszinierend wirken. Da ist etwa die Begeisterung für den Satiriker und Kabarettisten Gerhard Polt, der an gebührender Stelle gründlich gefeiert wird. Im gleichen Heft ein Interview mit seinem Kollegen Dieter Hildebrandt, der gar kein Bayer ist, und Features zu Musikern, die sich dafür aber umso mehr als blau-weiß definieren: “Kofelgschroa” und “Rembremerdeng”. Noch nie von gehört? Nicht so schlimm, dafür gibt es ja die MUH. Und für interessante Betrachtungen über den Wahnwitz deutscher Verkehrspolitik, den Wahnwitz des deutschen Rechtsextremismus sowieso und den Wahnwitz deutscher (meint: bayrisch-österreichischer) Volksmusik. Vieles ist versammelt. Doch da ist mehr: es gibt Witzeseiten für die Kleinen und ein Kreuzworträtsel, eine Tierkolumne und, na klar, auch einen täglichen Abriss über Bier. Wäre ja sonst auch irgendwie fad.

So ist das Heft jedenfalls Ausdruck eines neuen Europas – eben weil es sich auf die Region bezieht und nicht das Land. MUH ist wohl so einiges: Magazin für die Kleinen, für die Hausfrauen, die politisch Interessierten und die Musikalischen? Wenn dem so ist: preisgekrönt ist es jedenfalls schon (und ist im Übrigen 2012 für die LEADAwards nominiert, über die wir die nächste Woche berichten werden). Und hält zudem einen ganz eigenen Ton, was noch mal zeigt, wie anders die da unten ticken: Da wird anders gelacht und anders formuliert, aber immer mit rechtem Stolz und Selbstverständnis. Getreu dem Cover können wir nur empfehlen: weiterackern! Die Menschen, die Region; Sie werden es Euch danken.

Warum soll ich das lesen?
Sich selbst erkennen, heißt die Fremde kennen. Wer MUH in die Hand nimmt, merkt schnell: in Sachen Bayern gibt’s noch viel zu lernen. Dieses ganz eigene, andersartige Land im Süden, fast schon Italien. Begib dich auf den Trip.

Risiken und Nebenwirkungen
Du bist Besucher auf dem Oktoberfest, und kennst Dich nach eingehender Lektüre dieses Magazins schon viel zu gut aus. Du bist kein dummer Tourist mehr, und das erzeugt Irritationen. Nicht zuletzt bei Dir selbst.

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Sven Job

dienacht

Das Credo “Qualität statt Quantität” gilt ja schon seit längerer Zeit als die Rettung des Printmarktes. Geringe Auflagen und wenige Ausgaben pro Jahr stehen im Idealfall einer hohen Produktqualität gegenüber. Dafür bezahlen wir dann auch gerne etwas mehr. Ein weiteres hervorragendes Beispiel für diese Rechnung ist dienacht.

Das “Magazin für Fotografie, Gestaltung und Subkultur” wird von Calin Kruse aus Trier herausgebracht und erscheint seit 2007 zweimal im Jahr. Jede Ausgabe ist dabei auf 1000 Exemplare limitiert. Dass Kruse selbst Fotograf und Grafik-Designer ist, merkt man dem Magazin mit jeder Seite an. dienacht stellt Fotografen und Designer verschiedener Schaffensphasen vor. Junge Talente und ihre Arbeiten werden genauso berücksichtig wie die Altmeister Anton Corbijn oder Roger Ballen in der vorliegenden Ausgabe.

Das Magazin vereint dabei abstrakte Arbeiten neben Reportagefotografie und gibt kurze theoretische Einleitungen in die vorgestellten Werke. Schließlich werden noch Zines, Bücher und Magazine zum Thema vorgestellt. Besonders erfreulich: “dienacht” kommt in handlichem Format daher, passt also in jede Fototasche.

Ein Magazin voller Herzblut, Leidenschaft und Geschmack, das man immer wieder zur Hand nimmt, um sich in den vorgestellten Bilderwelten zu verlieren. Mittlerweile hat Kruse auch dienacht Publishing an den Start gebracht, ein Verlag für Fotobücher. Die oben angeführte Rechnung scheint also für ihn aufzugehen.

Warum soll ich das lesen?
Du kannst dienacht überallhin mitnehmen. Versuch das mal mit einem dieser tonnenschweren Fotobücher.

Risiken und Nebenwirkungen
Natürlich lässt du es in der Bahn liegen.

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Florian Tomaszewski

                                                                                                          

 

Slanted


Man sagt, was Friseure können, das können nur Friseure. Mindestens so sehr darf das wohl für Schriftentwickler und Typographen gelten, die sich wirklich einen speziellen Beruf ausgesucht haben. Oder, lieber Leser, wie viele Vertreter dieses Berufsstandes kennst Du? Genau.

Umso interessanter ist es vielleicht, sich der Materie also von außen zu nähern. Slanted bietet sich dafür an. Im schönen, nicht zu großen Format, macht erst mal die Haptik etwas her: Es liegt gut in der Hand, überrascht mit ausgefallenen Cover-Ideen (die besprochene Ausgabe ist in Gold und Silber gehalten) und kombiniert innen verschiedene Blattstärken – von dick und griffig bis Dünnpapier, fast Folie. Kein Zweifel – wenn in diesem Magazin der Buchstabe der Fetisch ist, dann ist das Magazin an sich die große Liebe.

Slanted ist ein Heft in Bild und Schrift. Was so platt für jedes Magazin gelten darf, geht aber bei diesem knapp 150 Seiten dicken Heft ein bisschen weiter. Die Heftmacher nehmen das wirklich ernst mit dem Bild und der Schrift. Wer nur flüchtig das Heft überfliegt, dem werden zwei Dinge klar: Nicht mal in einem monothematischen Heft wie diesem, dass sich der Typo im allgemeinen und dem Wechselspiel von feinen (light) zu kräftigen (bold) Schriften im speziellen widmet, bleibt man von Bilderstrecken verschont. Schön sind sie hier trotzdem und ergeben gar Sinn – um das Thema light/bold noch zu unterstreichen, zieht sich eine Strecke mit Muhammed Ali durchs Heft. Und bekanntlich war seine Box-Signatur sowohl light (das Tänzeln!) als auch bold (die Hiebe!). Zweitens ist das mit der Schrift kein Witz, sondern ernst gemeint. Slanted ist so was wie ein Branchenmagazin für die Schriftsetzergemeinde und Typo-Fetischisten, und hat Style. Kursiven Style, bold und light. Geht ja nicht ohne.

Slanted ist ein Heft für Experten. Alle anderen können staunen und sich daran erfreuen, wie viele Schriftarten es gibt; viele davon werden in einem Heft abgebildet. Es muss ja zum Glück nicht Comic Sans sein.

Warum soll ich das lesen?
Lerne Deinen besten Freund (von echten Freunden mal abgesehen) besser kennen: das Alphabet! Lettern über Lettern in ihrer ganzen Einzigartigkeit.

Risiken und Nebenwirkungen
Buchstaben werden für Dich mehr als “nur gute Freunde”. Schwierig. Auch für uns.

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Sven Job

Mensch

Eine Stadt lebt von den Menschen, die sich in ihr bewegen. Die Straßenbahnen sind voller Künstler, Musiker und Dichter. Hinter jeder Tür verbergen sich Ideen und Visionen, die umgesetzt werden von Menschen, die dafür den klassischen Lebensweg verlassen. Dass solche Lebensläufe weitaus interessanter sind, als der derzeitige Beziehungsstand von Lindsay Lohan, dachten sich auch die beiden Kölner Pascal Schöning und Niklas Krauthäuser. Mit “Mensch” haben sie ein Stadtmagazin für Köln auf den Markt gebracht, das nichts weniger will, als die Geschichten all der Verrückten und Träumer da draußen zu erzählen. Das “Magazin über Persönlichkeit” besticht durch starke Portraitaufnahmen und eine edle Aufmachung. Krauthäuser und Schöning stammen beide aus der Werbebranche, wissen also, dass der Look so wichtig wie der Inhalt ist. Wir haben uns mit beiden zu einem Gespräch getroffen.

Könnt ihr was zur Entstehungsgeschichte von “Mensch” erzählen?
Pascal Schöning: Schon seit ich 15 bin, denke ich darüber nach, ein Magazin zu machen. Vor cirka 6 Jahren hat es mich dann beruflich in die Richtung Editorial Design verschlagen und so kommt man natürlich tiefer in das Thema rein. Nachdem ich dann lange nach dem richtigen Thema gesucht habe, bin ich beruflich mit Niklas aufeinander gestoßen, der ja hauptsächlich Portraitfotografie macht. Wir sind schnell auf das Thema “Menschen” gekommen und haben auch gleich festgestellt, dass so ein Produkt gar nicht auf dem Markt vorhanden ist. Es gibt zwar unzählige Celebrity-Magazine, aber nichts, was den normalen Menschen auf der Straße behandelt. Wir haben uns jetzt einfach mal ganz frech erlaubt, eben diesen auf den Titel zu erheben und die Persönlichkeit des Einzelnen in den Mittelpunkt eines Magazins zu stellen.

Wie entscheidet ihr denn, welche Persönlichkeit in eurem Magazin stattfindet? Läuft das auch über entsprechende Kontakte?
Niklas Krauthäuser: Wenn es jemanden gibt, der beispielsweise eine interessante Ausstellung gemacht hat, oder der in einem außergewöhnlichen Tätigkeitsfeld unterwegs ist, dann hört man da natürlich von. Bis jetzt sind fast alle Kontakte persönlich oder über Bekannte entstanden.

PS: Da lassen wir uns auch die Freiheit, uns neuen Dingen zu öffnen. Die Idee ist ja jetzt erst einmal, ein regionales Magazin zu machen. Das heißt, wir beschäftigen uns mit Leuten, die im Bereich Kunst, Kultur oder Musik unterwegs sind und versuchen da auch ein wenig Trendscouting zu betreiben, also auch Leute vorzustellen, die noch nicht so präsent sind.

Ein Alleinstellungsmerkmal muss die Person also schon mitbringen?
PS: Wir versuchen die persönliche Geschichte einer Person, die auch ein stückweit aus dem Rahmen fällt, aufzugreifen und den ungraden Lebensweg zu schildern. Das ist auch in allen Bereichen denkbar, sofern natürlich die Geschichte erzählenswert ist.

Richtet sich “Mensch” denn auch hauptsächlich an einen Personenkreis, der im kulturellen Bereich tätig ist?
PS: Natürlich liegt es erst einmal nahe, dass die Käuferschicht immer auch potentielle Interviewpartner von uns sind. Aber eigentlich möchten wir ein Magazin für Köln auflegen, welches auch für andere Zielgruppen interessant ist und durch das der Leser erfährt, was in seiner Stadt los ist. Sicher ist nicht allen Kölnern bewusst, was hinter den Kulissen geschieht und wir wollen die Dinge, die in einer Subkultur stattfinden, auf eine größere Bühne heben.

Als klassisches Stadtmagazin seht ihr “Mensch” aber nicht?
PS: Da gibt es für uns eine ganz klare Trennung. Wir haben uns bewusst gegen Veranstaltungshinweise im Sinne von einem Kalendarium oder ähnlichem entschieden. Vielmehr wollen wir zeitlosen Inhalt präsentieren. Der Versuch, den Ist-Zustand abzubilden, würde ja schon daran scheitern, dass dieser bei Heftdruck bereits veraltet ist. Die Idee ist es eher, Personen zu spiegeln, die morgen auch noch da sind.

Sobald man euer Magazin in die Hand nimmt, fällt die hochwertige Produktion auf.
PS: Wir hatten zu Beginn der Produktion noch zwei recht unterschiedliche Ansätze und haben uns da natürlich auch mit der Frage der Refinanzierung auseinandergesetzt. Letztendlich haben wir uns dann für ein Konzept entschieden, was wenige Kompromisse eingeht. Dies hatte eine kleinere Auflage zur Folge, aber auch eine höhere Qualität des Magazins. Zwischenzeitlich gab es aber auch, wie gesagt, die Idee, das Ganze mainstreamiger und auflagenstärker anzugehen. Uns wurde jedoch schnell klar, dass Klasse besser ist als Masse und aus der Not haben wir so auch eine Tugend gemacht, da wir schon bei der Akquise von Anzeigen zu viele Kompromisse hätten machen müssen. Im Nachhinein sind wir über unsere Entscheidung sehr froh.

Wartet ihr jetzt erst einmal die weitere Entwicklung ab, oder ist eine zweite Ausgabe schon sicher?
NK: Bis eine zweite Ausgabe erscheint, ist erst einmal jede Menge Online Content geplant. Wir wollen auf diesem Weg auch Interviews veröffentlichen, die nicht in der nächsten und auch nicht in unserer aktuellen Ausgabe zu finden sind. Wir legen zukünftig noch einen großen Schwerpunkt auf unsere Homepage.

PS: In der Anfangsphase wollen wir mit dem Print-Heft natürlich Fakten schaffen. In der Nachbereitung kümmern wir uns dann sehr stark um den Ausbau des Online-Auftrittes mit allen Parametern, die in diesem Bereich so üblich sind. Damit möchten wir natürlich in den Lebensbereich unserer Zielgruppe vordringen. Dazu gehören eben auch Facebook und unser Blog, den wir immer wieder mit Content füllen, der nicht zwangsläufig aus dem Heft kommt. Dass eine zweite Ausgabe kommt, würde ich aber als sicher beschreiben. Im Augenblick haben wir ein halbjährliches Erscheinen angedacht, allerdings kann sich das zukünftig noch ändern und ist stark davon abhängig, wie der Markt unser Magazin annimmt. In diesem Jahr werden wir aber auf jeden Fall noch eine zweite Ausgabe herausbringen.

> Mensch online

Florian Tomaszewski

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