Die Welt ist eine Scheibe. Zumindest in den Augen der Vinyl-Enthusiasten. Die werden immer mehr, denn Vinyl boomt. Die Verkaufszahlen erlebten in den letzten Jahren einen signifikanten Anstieg, wie selbstverständlich erscheint jede Neuveröffentlichung auch auf Schallplatte und der Backkatalog vieler Musiker wird als Vinyl-Reissue erneut in die Läden gebracht. Mittlerweile stehen die Sammler am jährlich stattfindenden Record Store Day stundenlang Schlange, um eine der speziell für diesen Tag veröffentlichten und streng limitierten Platten kaufen zu können. Der Printmarkt reagiert natürlich auf diesen Boom und so gibt es seit Ende letzten Jahres Mint – Das Magazin für Vinylkultur aus dem Visions-Verlag.
Blättert man das Magazin einmal durch, fällt schnell auf, dass es thematisch nie ganz eindeutig ist. Ist es nun ein Musikmagazin oder ein Technikmagazin? Beide Aspekte werden inhaltlich bedient und je nach Interesse überblättert oder interessiert gelesen. Die Stärke von Mint liegt weniger in den Tests von Lautsprechern oder Kopfhörern (dafür gibt es genug Hi-Fi-Magazine) sondern in den Reportagen, die man in klassischen Musikmagazinen kaum noch findet. Dies kann ein Blick auf das Plattensammeln in der DDR sein, ein Besuch beim Online-Portal Discogs oder eine kritische Auseinandersetzung mit dem bereits erwähnten Record Store Day. Mint ist frei von der Veröffentlichungspolitik der Plattenfirmen und kann daher auch abseitigere Themen bearbeiten. Aus diesem Grund halte ich übrigens die Rezensionen in dem Heft für überflüssig – die gibt’s schließlich auch in anderen Veröffentlichungen und bieten wenig Mehrwert (außer man will unbedingt wissen, ob zum Beispiel die jeweilige Innenhülle bedruckt ist).
Der Vinyl-Liebhaber ist immer auch Jäger und Sammler. Da ist es eine schöne Idee, mit jeder Ausgabe die Vinyl-Szene einer Stadt zu portraitieren. Zwischendurch blitzt natürlich immer wieder ein “Früher war alles besser” auf, wie man es ebenso im Plattenladen seines Vertrauens mit auf den Weg bekommt. Aber gehen wir nicht genau deshalb immer wieder hin? Mint ist schön nerdig, vielleicht für den Gelegenheits-Musikhörer zu nerdig. Gut möglich, dass es den Machern aber genau darum geht. Diejenigen abholen, die ihre Wochenenden auf Flohmärkten verbringen, um sich durch verstaubte Plattenkisten zu wühlen und für die das Knistern und Knacken einer Schallplatte durch nichts zu ersetzen ist. Sollen die anderen doch weiterhin schlechte Musik über minderwertige Lautsprecher hören.
Warum soll ich das lesen?
Mint ist wie der coole Onkel, der Dir eines Tages seine Plattensammlung auf dem Dachboden zeigt und dabei in einen Monolog über Krautrock verfällt.
Risiken und Nebenwirkung
Deine Vinylsammlung wächst. Der nächste Umzug kommt bestimmt. Danke, Mint!
Florian Tomaszewski