“Politik gehört nicht ins Stadion”, “beim Fußball hat die Politik draußen zu bleiben” oder auch gern “wir lassen unseren Sport nicht instrumentalisieren”: Wenn es ans Eingemachte geht, verstecken sich Fußballakteure auf und neben dem Platz allzu gern hinter solchen Phrasen. Gegen dieses Phänomen schreiben die Macher von Transparent an. Das “Magazin für Fußball und Fankultur” ist gerade in seiner achten Ausgabe erschienen und weist offensiv darauf hin, was eigentlich längst klar sein sollte: Fußball hat eine gesellschaftliche Relevanz erreicht, die ihm eine passive Haltung verbietet. Das “Spiel der Welt” ist von einer schönen Nebensache zum milliardenschweren Business, zum volks- und völkerverbindenden Event und so auch zum Politikum geworden.
Fußball beeinflusst die Leben zahlloser Menschen deutlich länger als nur 90 Minuten. Er ist bestimmender Faktor in der Freizeitgestaltung, sorgt am Montagmorgen für gute (oder schlechte) Laune ganzer Firmenbelegschaften, ist aber auch Standort- und Wirtschaftsfaktor. Wie sich Sport, Politik und Gesellschaft gegenseitig beeinflussen, wird in Transparent unter anderem in der Reportage aus Griechenland deutlich. Im krisengebeutelten Land versucht die faschistische Partei “Goldene Morgenröte” seit geraumer Zeit, die Fangruppen populärer Fußballvereine zu unterwandern und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Nicht überall trifft sie auf echten Widerstand.
Fußball, Kultur, Politik
Die Titelstory widmet sich der Aufarbeitung der ambivalenten Rolle deutscher Fußballclubs im Dritten Reich. Denn viele Vereinschroniken legen in den Jahren zwischen 1930 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Pause ein. Die Initiative, dies zu ändern, ergriffen die wenigsten Vereine selbst. Stattdessen muss sie von interessierten Historikern oder Fans ausgehen, die selten auf offene Ohren oder gar Unterstützung stoßen. Eine Story zur aktuellen (Gegen-)Kultur in den Kurven deutscher Stadien dreht sich um Fans, die “auffällig geworden” sind und mit Stadion- oder gar Stadtverbot belegt wurden. Der Autor drückt hier angenehm wenig auf die Tränendrüse, wenn er darstellt, was die Situation für Betroffene in sozialer und juristischer Hinsicht bedeutet und wie sie sich dagegen wehren.
Doch auch die andere Seite des Fußballs, die romantisch-verklärte, wird nicht vergessen. Bilderstrecken setzen niederklassigen Vereinen und legendären Spielstätten fast vergessener Vereine ein kleines Denkmal. Dem Betrachter steigt hier unwillkürlich eine Melange aus Trikot- und Sockenschweiß, nassem Gras und schimmeligen Duschräumen, Bier und Bratfett in die Nase. Spielberichte von den etwas ferneren Rändern der Fußballwelt (hier: Kuwait und Marokko) und Buchrezensionen runden den kulturellen Teil von Transparent ab.
Warum soll ich das lesen?
Fußballfans der Welt, schaut auf dieses Blatt – hier könnt Ihr was lernen. Und Ihr Fußballhasser erst recht.
Risiken und Nebenwirkungen
Die Erkenntnis, dass sich in Fußballstadien rechtsoffene, homophobe Schlägertypen tummeln. Aber eben auch viele von den Guten.
Christian Vey