Nun schon zum dritten Mal beglückt uns dieses schöne Heft, das den Untertitel “food and culture journal” trägt. Herausgegeben wird es von den zwei Londoner Kreativen David Lande und Marina Tweed, die mit dem Herzensprojekt eine intelligente und künstlerische Nische im Bereich der Kochmagazine abdecken wollen. Rezepte sollte man in dieser Publikation allerdings nicht erwarten – Gott sei Dank! Denn dieses Heft kann viel mehr.
So liefert The Gourmand z.B. einen detaillierten Einblick in die Arbeitsweise einer Food-Stylisten, inklusive einer fotografischen Übersicht der unzähligen Werkzeuge, die sie für ihre Arbeit benötigt. Damit kontrastiert eine abstrakt gehaltene Fotostrecke von verschiedenen Lebensmitteln, die in einer Restaurantküche beim Abwasch den Abfluss runtergespült werden. Die Farben und Texturen, die dabei entstehen, sind fast schon magisch. Dabei ergibt sich eine clevere und ästhetische Auseinandersetzung mit etwas Alltäglichem, das fast schon banal erscheint – ohne dabei in eine pseudointellektuelle Schiene zu verfallen. Dieser Bruch zwischen Banalem und Anspruchsvollem findet sich in fast jedem Beitrag wieder.
Ein anderes Beispiel ist Dominic Davies, der britisches Sonntagsessen als Stillleben fotografiert. Und hier der Twist: Es wurde aus der Sicht eines Synästhesisten fotografiert, der beim Läuten einer Kirchenglocke an Yorkshire Pudding und beim Knacken eines Astes an Roast Beef denken muss. Diese Gegenstände arrangiert Fotograf Dominic Davies – und macht es dem Betrachter leichter, sich in die Krankheit eines Synästhesisten einzufühlen.
The Gourmand zeichnet sich durch eine typisch britische Ästhetik aus (minimalistisch und ohne viel Schnickschnack) und kann gestalterisch den Publikationen der Holländer Gert Jokers und Jop van Bennekom locker das Wasser reichen. Hier verbindet sich klassisches Grafikdesign mit haptisch hochwertigem Papier und ästhetischen Fotografien.
Warum soll ich das lesen?
Weil eine differenzierte Auseinandersetzung mit Nahrung und Kultur uns allen gut tun würde. Denn du bist, was du isst.
Risiken und Nebenwirkungen
Die Bild-Strecke “Tradizione, Costruzione” verarbeitet Rigatoni und Lasagne zu architektonischen Meisterwerken der griechisch-römischen Antike inklusive Säulen und Dachziegeln. Das würde sich eingerahmt doch super an der Wand machen. Aber irgendwie wäre das doch schade um The Gourmand.
Ufuk Inci