The Blizzard

blizzard01Aktuelle Berichte und alle Statistiken zum vergangenen Spieltag, ein Steckbrief von diesem einen Profi mit dem coolen Undercut (Lieblingsessen, -automarke, -tätowierer) und die Homestory “Mit Prinz Poldi unterwegs in swingin’ London”. All das bietet The Blizzard nicht.

Das Vierteljahresheft zum Thema Fußball entsteht in der pittoresken (Ex-)Bergbau- und (Ex-)Werft-Metropole Sunderland und startete 2011 als ein pay-what-you-want-Experiment. Bei The Blizzard handelt es sich um ein “Gentleman-Magazin” – für die Zerstreuung der aller-niveauvollsten Art. Eine Fotostrecke mit 13 Bildern über den Aufstieg von Cardiff City in die Premier League in der Heftmitte ist alles, was es an redaktionellem Bildmaterial gibt. Eingerahmt wird sie jedoch von 20 anspruchsvollen Texten, die durch hübsche Illustrationen in neun Rubriken aufgeteilt sind.

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Sid Lowe, vielleicht der Experte für spanischen Fußball, steuert Interviews bei. Eins mit Carles Rexach, der einst Messi per Serviettenvertrag zu Barça holte, eins mit Jorge Valdano, der den 17-jährigen Raul zum ersten Mal für Real aufs Feld schickte. Männer also, die für Historie und Gegenwart der großen spanischen Rivalität gleichermaßen stehen. Im Heft zu finden sind außerdem Reflexionen  darüber, ob der Fußballsport sich mehr vom Schach oder doch vom Jazz abschauen sollte, eine nachgerade wissenschaftliche Abhandlung zur Entstehung des Fantums im viktorianischen Großbritannien und ein 20-seitiger Aufsatz, der sich mit dem WM-Halbfinalspiel von 1990 zwischen England und Deutschland (West) auseinandersetzt.

Nicht nur durch sein Layout, sondern auch inhaltlich ist The Blizzard also deutlich näher am akademischen Periodikum als an der schnöden Illustrierten. Trotzdem oder gerade deshalb ist es ein Genuss, das Heft “durchzuarbeiten”. Ob das im Clubsessel vor der Bücherwand aus dunklem Holz geschieht (Single Malt Whisky!), im Liegestuhl auf der Sonnenterasse (Gin Tonic!) oder im Bordbistro des ICE (Hefeweizen!), bleibt dem Leser selbst überlassen.

Warum soll ich das lesen?
“Some people believe football is a matter of life and death, I am very disappointed with that attitude. I can assure you it is much, much more important than that.” (Bill Shankly)

Risiken und Nebenwirkungen
Nach all der hochgeistigen Auseinandersetzung mit dem Spiel der Spiele, wird die Enttäuschung beim nächsten “Muss-der-Trainer-entscheiden-wollen-alles-geben-denken-von-Spiel-zu-Spiel”-Interview nur umso größer sein.

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Christian Vey