Als Reporter hat man es heutzutage auch nicht leicht. Die weißen Flecken auf der Landkarte sind schon lange in Pixel umgerechnet und via Internet für jeden einsehbar. Die Sahara, das Amazonas-Becken, die arktische Tundra: Alles nur noch einen Klick entfernt und wer will, kann afrikanischen Dorfbewohnern von zu Hause aus in den Kochtopf zoomen. Wie soll ein Reporter von fremden Welten berichten, wenn dank Wikipedia nichts mehr fremd ist? Das Schweizer Magazin Reportagen zeigt, dass wir zum Glück soweit doch noch nicht sind und gute Reportagen immer noch fesseln können.
Die Bilder in den Köpfen
Von einem “Magazin” zu sprechen ist streng genommen untertrieben, kommt das sechsmal jährlich erscheinende Werk doch fast schon im Taschenbuchformat daher. Der geschmackvolle Leineneinband verstärkt den außergewöhnlichen und edlen Charakter von Reportagen, der bei einem stolzen Preis von 15 Euro pro Exemplar ja auch gestattet sein darf. Das Layout hält sich streng an ein durchgehendes Farbschema, das mit jeder Ausgabe ein anderes ist. Außerdem, und das ist für die Thematik erst einmal ungewöhnlich, kommt das Magazin ohne Fotos aus. Stattdessen werden die Artikel, wenn überhaupt, von Zeichnungen und wunderbar illustrierten Grafiken visuell gestützt. Die Botschaft ist klar: Was zählt, ist der Text. Erst durch das geschriebene Wort entstehen dann die Bilder im Kopf des Lesers. Das funktioniert ganz wunderbar und macht die Lektüre von Reportagen sehr angenehm.
Alles geht, nichts muss
Inhaltlich werden keine Vorgaben zu einem Leitthema gemacht. So wird der Rohstoffbooms Australiens genauso behandelt wie das sehr persönliche Porträt eines italienischen Bäckers, der Jahrzehnte braucht, um endlich glücklich sein zu können. Die Texte bleiben unabhängig, der Reporter ist hier ganz Beobachter und nicht Meinungsmacher. In der “Historischen Reportage” werden schließlich die Altmeister der Zunft geehrt und Arbeiten von Hemingway, Kapuscinski oder Twain abgedruckt. Die Königsklasse des Journalismus hat auf fast 140 Seiten eine Heimat gefunden. Die Welt will weiterhin entdeckt werden.
Warum soll ich das lesen?
Du kannst es noch so oft versuchen, im Internet landest Du doch immer wieder bei den Katzenvideos. Das passiert Dir mit Reportagen nicht.
Risiken und Nebenwirkungen
Das Heft offenbart Deine Wissenslücken: “Bergkarabach liegt also nicht in Österreich?”
Florian Tomaszewski