Dass die Karambolage deutscher und französischer Traditionslinien in der medialen Vermittlung von Geistesgeschichte nicht nur im Mittagsprogramm bei Arte funktionieren kann, versucht Fabrice Gerschel, Herausgeber des französischen Philosophie Magazine nun auch in Print unter Beweis zu stellen. Zwar beteuert die in Berlin ansässige Redaktion eine eigenständige zu sein, doch finden erfreulicherweise einige Übersetzungen ihren Weg in das deutsche Lizenzprodukt. Erfreulich auch, weil doch die Philosophie in unserem Nachbarland einen ganz anderen Stand hat: Wo ein Intellektueller neben einer Berufung beinahe ein Berufsstand und in gar keinem Fall ein Schimpfwort ist. Wo Fernsehmoderator Raphaël Enthoven bereits zu Tage munter plaudernd durch die Straßen schlendern kann. Und wo es ein Schulfach gibt, das sich philosophischen Themen fachkundiger annähert als dass “Ethik” es hierzulande vermag.
Das Philosophie Magazin betritt denselben Pfad: hin zu einer breiteren Öffentlichkeit, jenseits des professionellen Diskurses. Und trägt damit Rechnung, dass Menschen in schwierigen Zeiten nach neuen, nach anderen Wegen der Orientierung suchen. Das ist gut gemeint, aber auch problematisch. Denn es fehlt die Tiefe, die ein solcher Magazinbericht nicht bieten kann – tatsächlich handelt es sich bei der Philosophie – bei aller Zugänglichkeit – aber um ein sehr leseintensives Fach. Die Philosophie kennt keine einfache Antwort auf die Frage nach einem gelungenen Leben und will diese auch gar nicht (mehr) geben. Aber das Heft versucht das zu vermitteln: In der Klassiker-Rubrik “Die Philosophen” wird auf Buddha und das Nirvana geschielt. Also auf das publikumswirksamere, aber an sich fachfremde Terrain der Religion.
Die Titelgeschichte im “Dossier” “Wie viel Tier steckt in mir?” ist vor allem der abgebildeten Nahaufnahmen wegen sehenswert, aber auch alles andere als anspruchsvoll; eben das, was man dem gutsituiertem Leser zumuten kann, ohne zu irritieren. Für den Kenner interessant sind da schon eher die Literaturtipps und die Werkstattgespräche mit den noch lebenden “Philosophen”. Wie etwa Cornel West, einem afroamerikanischen Mann der Zunft, der sich als Philosoph auch in die Tradition von Jazz und Blues stellt und im Interview mit seinem Präsidenten Barack Obama nicht eben unkritisch umgeht.
Warum soll ich das lesen?
“Ich weiß, dass ich nichts weiß”, sagt Sokrates. Lena Meyer-Landrut ist noch nicht so weit, das weißt du spätestens auf der letzten Seite.
Risiken und Nebenwirkungen
Vielleicht reißt du deinen Richard-David-Precht-Starschnitt in Lebensgröße doch von der Wand. Oder fragst noch mal nach, “wie viele” denn bei dessen Selbsterkenntnis gemeint waren. Es ist alles nicht so einfach.
Manuel Niemann