Indiecon 2014 – Die Magazine in der Kurzkritik

Schön war’s ja auf der Indiecon 2014 in Hamburg. Zum lesen kamen wir aber – verständlicherweise – nicht so richtig. Zu viele spannende und erhellenden Vorträge und Panels. Zu viele Magazinmacher, denen wir erklären mussten, warum wir ihr Magazin damals so und so besprochen haben – und nicht so und so!

Spaß beiseite. Hier ein kleiner Magazin-Zusammenschnitt.

indiecon_mags_021. Über (online)
Über ist “ein Magazin über Menschen, Orte, Träume, Taten und Ideen.” Also alles – und nichts. Manche Beiträge laufen ins Leere, andere treffen ins Schwarze. Vor allen Dingen die Bilderstrecken, und das ist leider oft so. Toll: Das Heft ist so groß (und gratis), dass man sich mit den Seiten die eigenen vier Wände verzieren kann. Mit Rosis Rumtopf zum Beispiel.

2. Read (online)
Macher Ale Dumbsky ist ein meinungsstarker und sympathischer Typ. Sympathisch ist Read eigentlich auch – aber leider nicht gut. Die Texte sind so dahin geschrieben und es fehlt oft an Substanz. Dabei ist Read alles andere als ein Hochglanz-Titel. Immerhin: Das Magazin liegt in Hamburg an vielen Stellen kostenlos aus. Fun Fact: Auch in einem Penny-Markt (!). Wer sucht, der findet.

indiecon_mags_033. Fall (online)
Der Gewinner. Grafisch gibt’s keine Aufregung, aber textlich gefällt es mir. Viele Magazine da draußen machen es sich leicht, indem sie immer nur ein Thema behandeln (und das dann auch nicht so gut) – Fall macht das besser. In diesem Heft geht’s um das Thema “Beifall” in vielen Facetten: Moritz Bleibtreu und auch ein Lehrer erzählen, wie sie damit umgehen. Und auch sonst reichen sich Glamour und Non-Glamourin in Fall die Hand. Die können ruhig weitermachen. Kostet auch nichts, muss man aber finden.

4. Heimatdesign (online)
Super: Sieht immer anders aus. Aber das liegt daran, dass hier Designer das Magazin machen – wie der Name schon sagt. Heimatdesign ist also zuerst ein Magazin, in dem Grafiker und Layouter ihre Ideen ausstellen – oder interviewt werden. Das ist für alle weniger Grafik-Affinen stellenweise total uninteressant. Schade. Vielleicht brauchen wir einfach einen passionierten Grafikdesigner in unserem Autoren-Team. Kostet nichts, muss man nur finden.

Ach, und bald schauen wir uns noch die Kindertseitung an. Für die Jüngsten (und Jüngstgebliebenen).

Nie zu spät: der Indiecon 2014-Roundabout:
> Der Bericht zur Indiecon 2014
> Das Interview mit den Orgas Urs & Malte

Sven Job

Interview mit Malte und Urs von der Indiecon 2014

Indiecon 2014 Festival für unabhängige Magazine
Glückwunsch erst einmal zur gelungenen Erstauflage Eures Indiemagazin-Festivals. Da habt Ihr ja ein schönes Ding auf die Beine gestellt und in der “Szene” für einigen Furor gesorgt. “Was ist Indie?” habt Ihr vor dem Festival gefragt. Und mit der Antwort “Indie, c’est moi” am Ende des Festivals clever aufgelöst. Abgesehen davon: Habt Ihr denn überhaupt mit einer klaren Positionierung gerechnet?
“Indie c’est moi!” ist ein Zitat von Horst Moser, der das mit über einer Million Magazinen im heimischen Regal wohl ohne Scham für sich behaupten darf. “Was ist Indie?” hat als Leitfrage für die Indiecon wunderbar funktioniert. Die Gäste haben sich am Begriff gerieben, über unsere vorgeschlagene Definition gestritten und sich letztlich darauf geeinigt, dass er schwer zu greifen ist. Besser hätte es nicht laufen können. Dann haben wir noch was zu tun.

Interessant ist der Gegensatz zwischen “Indie” und der Location mit der Villa an der Alster. Eine schöne Location, ohne Frage. Aber fandet Ihr das nicht problematisch?
Warum? Wir sind sehr dankbar, dass wir für zwei Tage die Villa von Verleger Thomas Ganske “kapern” durften – vielleicht sind Euch die weinende Piratenbraut [Anmerk.: den Cocktail gab's vor Ort] und der ferngesteuerte Heliumhai als Stilmittel aufgefallen. Das war doch ein wunderbarer Ort, um über die Zukunft der Magazinlandschaft zu sinnieren. Wir haben sehr transparent gemacht, inwiefern uns Hoffmann und Campe Corporate Publishing, Adobe Typekit und AZ Druck unterstützt haben. Jeder Cent ist in die Indiecon geflossen – das Programm haben wir frei und unabhängig gestaltet. Ob uns das gelungen ist, könnt Ihr als Gäste besser beurteilen.

Indiecon 2014 Festival für unabhängige Magazine

“Lasst den Hai nicht frei!”

Also wohl gefühlt haben wir uns da auf jeden Fall. Euer Fazit? Was wollt Ihr nächstes Jahr besser machen? Dürfen wir nächstes Jahr mit einer Preisverleihung rechnen? Darüber habt Ihr vor Ort ja laut nachgedacht.
Wir werten jetzt in Ruhe das gesammelte Feedback aus und machen uns an die Dokumention. Vielleicht ein Buch? Vielleicht ein Film? Vielleicht ein Preis? Preise sind gut, jeder verleiht inzwischen Preise. Nein, im Ernst: die erste Indiecon war ein schöner Auftakt. Wir und alle freiwilligen Helfer haben viele viele Stunden nach Feierabend und am Wochenende dafür gerackert. Rechnet mal damit, dass wir uns jetzt nicht schlafen legen.

Und habt ihr schon Persönlichkeiten/Magazine auf der Rechnung, die nächstes Jahr dann sein müssen?
“Auf der Rechnung” trifft es ganz gut. Natürlich haben wir schon Ideen und Wünsche. Wen wollt ihr denn sehen? Mailt uns doch an info@indiemags.de.

Danke, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt! Wir freuen uns schon auf die Indiecon 2015. Viel Glück für die Zukunft!

Malte Brenneisen und Urs Spindler begannen 2013, sich für unabhängige Magazine zu interessieren. Sie haben ihre Master-Arbeit dazu geschrieben, sammeln online die Indies und haben mit der Indiecon 2014 in Hamburg ein Festival für Indie-Publikationen geschaffen.

> Unser Bericht zur Indiecon 2014
> Unser Interview mit Malte & Urs zu “Indiemags”

Fotos: Malte HM Spindler / DIE BRUeDER / Indiecon 2014
Das Gespräch führte Sven Job

Die Indiecon 2014 in Fußnoten

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Was ist Indie? Unter diese Frage haben Malte Brenneisen und Urs Spindler ihr Festival für unabhängige Magazine gestellt. Und stattfinden sollte die erste Indiecon 2014 im hochsommerlichen Hamburg, direkt an der Alster. Anfang September kamen sodenn Magazinmacher, Verleger und Branchenmenschen zusammen für Workshops und Heft-Präsentationen, für kleine Gespräche unter vier Augen und große Debatten auf der Bühne. All das im edlen Ambiente einer Villa und dort vor allem im “Goldenen Salon”.

Der Salon ist Teil der Heinrich Heine-Villa, in der früher übrigens auch die Redaktion des Tempo Magazins saß. Eine Location mit Geschichte und ein guter Boden, um Magazin-Ideen auszutauschen und mit Gleichgesinnten zu schnacken. Oder wenigstens eine gute Zeit zu haben.

Das hatten wir alles. Weil wir aber auch etwas mehr von der Indiecon mitnehmen wollten als den Jutebeutel voller Magazine von Read bis Über und niemand Inhaltsangaben lesen mag – hier sind unsere Eindrücke, eingedampft auf 99 Fußnoten. Na fast. Ungefiltert, subjektiv und mit einem Beck’s in der Hand.

Eine Convention in Fußnoten


“An alle, die noch ganz unten sind: Keep cool.”

(Gabriele Fischer, Brand Eins)

Wer ein Magazin herausbringt, der braucht Zeit. Und einen langen Atem. Doch es zahlt sich aus, darin sind sich alle einig. Gabriele Fischer kann davon ein Lied singen; nach nunmehr 15 Jahren hat sie es mit ihrem Wirtschaftsmagazin Brand Eins zur 100 000er-Auflage gebracht.


“Ein Bäcker mit nur einer Filiale ist auch Indie.”

(Ale Dumbsky, Read)

Und das heißt: Indie bedeutet also erst mal nichts. Du machst ein kleines Heft, oder ein großes, es gibt Dein Magazin schon ewig oder erst seit gestern. Du klebst die Seiten in der Garage von Papa zusammen oder druckst Hochglanz: Der Begriff Indie kann diese Branche nicht definieren. Aber kann das überhaupt ein einziger Begriff?

Indiecon 2014 Festival für unabhängige Magazine
“Große Verlage, kleine Klitschen – das ist was für die Schublade.”

(Oliver Gehrs, Dummy)

Mit diesen einfachen Einteilungen ist es vorbei. Oder wenigstens fast. Und überhaupt: Wer hier auf der Indiecon 2014 ein gemeinsames Abfeiern des Labels “Indie” erwartete, wurde schnell eines Besseren belehrt. Oliver Gehrs (Dummy) hält den Begriff für gefährlich, Ale Dumbsky (Read) ist davon genervt und auch Gabriele Fischer (Brand Eins) weist den Begriff von sich. So unterschiedlich die Magazine, so unterschiedlich auch die Argumente.

Indiecon 2014 Festival für unabhängige Magazine
Die Zielgruppe gibt es nicht mehr. Dafür aber tausende.

Den Spiegel liest heute jeder und keiner mehr. Auch bei den Indies hat jedes Magazin eine mehr oder weniger heterogene Leserschaft. Oder wie Gabriele Fischer es ausdrückt: “Bei uns [Brand Eins] gibt es den Hartz-IV-Leser und den Vorstandsvorsitzenden.”

Indiecon 2014 Festival für unabhängige Magazine
Indie heißt nicht, dass man nicht erfolgreich sein will.

Und das ist sowohl positiv als auch negativ gemeint – je nachdem, wer sich an diesem Wochenende zu Wort meldete. Oliver Gehrs (Dummy) etwa störte sich daran, dass man vielen Indie-Magazinen in ihrer Oberflächlichkeit einfach ansehen könne, dass sie erfolgreich sein wollen – gleichzeitig ärgerte sich der Herausgeber, mit Dummy immer noch unter “Indie” zu fallen. Und überhaupt: “Es sollte immer das Ziel sein, dass man seine Miete zahlen kann.” (Gabriele Fischer)

Indiecon 2014 Festival für unabhängige Magazine
“Technik? Das kann jeder und seine Mutter.”
(Ale Dumbsky)

Content bleibt King. Oder: So sollte es sein. Denn: “Es gibt immer noch zu viele Hefte, die nicht weh tun.”

Indiecon 2014 Festival für unabhängige Magazine
“General Interest? Is over!”

Zu dieser Fußnote gehört ein Fragezeichen. Denn während sich die einen weiterhin Magazine wünschen, auf die sich alle (oder: viele) einigen können, geben andere nur noch der Nische eine Chance. Denn die Frage bleibt: Sind Magazine wie The Weekender (Freizeit), Brand Eins (Wirtschaft) oder The Germans (Politik und Gesellschaft) nicht schon sehr massenkompatible Veröffentlichungen?

Indiecon 2014 Festival für unabhängige Magazine
“Mach Dich interessant! Erweitere Dein Angebot!”

Denn das Geschäft da draußen ist ein Haifischbecken und Fische schwimmen darin sehr sehr viele. Steve Watson betreibt einen kuratierten Magazin-Versand und liebt Indie. Und er sagt: Lass Dir was einfallen. Und wenn es bedruckte Kaffeetassen und Shirts sind.

Indiecon 2014 Festival für unabhängige Magazine
“Relevanz ist wichtig.”

(Michael Hopp, ex-Chefredakteur Wiener)

Klingt banal, ist aber ein Thema, das auf der Indiecon 2014 immer wieder angesprochen wurde. Oliver Gehrs etwa störte sich an Magazinen, für die der normale Leser erstmal einen Beipackzettel brauche, um sie zu verstehen. Und Michael Hopp brachte zum Ausdruck, was er von manchem Indie-Magazin hält: Zu brav, zu diffus, zu nett. Wie aber macht man sein Heft relevant? Mit der harten Realität – Konflikt, Gewalt, Sex. Klare Ansage.

Indiecon 2014 Festival für unabhängige Magazine
“Print hat einen Anfang und ein Ende. Das ist das Großartige daran.”

Warum lieben wir Print so sehr? Wer etwas drucken will, richtig auf Papier, “der gibt sich einfach mehr Mühe” (Dumbsky). Und wer sich die irrwitzige Idee, ein eigenes Magazin zu veröffentlichen, erst mal in den Kopf gesetzt hat, der bringt es (im besten Fall) auch zu Ende. Und dann ist es in der Welt. Und bleibt da.

Indiecon 2014 Festival für unabhängige Magazine
We got 99 problems but Indie ain’t one.

Morgen lest Ihr hier das Interview mit den Machern Urs & Malte.
Und unsere Eindrücke zu den Magazinen liefern wir auch noch nach.

> Indiecon 2014 online

Sven Job
Fotos: Florian Tomaszewski (1),
alle weiteren: Malte HM Spindler / DIE BRUeDER / Indiecon 2014

Cahiers

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Wer sich ein “Magazin zur Fotografie” zulegterwartet wahrscheinlich vor allem: Bilder. So überrascht auf den ersten Blick die Textlastigkeit von cahiers, eben weil viele Fotomagazine hauptsächlich Bilder zeigen und sich eine darüber hinausgehende Auseinandersetzung mit dem Medium kaum zutrauen. Diese Lücke schliesst cahiers, vom Masterstudiengang Fotografie der Fachhochschule Dortmund herausgebracht.

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Die Macher selbst erklären im Editorial zur zweiten Ausgabe, welches irritierenderweise mitten im Heft abgedruckt ist, die Leitidee des Magazins: Nämlich der Fotografie den Raum zu geben, den sie verdient. Dies gelingt, wenn auch mitunter sehr akademisch und eher für einen kleinen Kreis gedacht. Der Fotograf ohne theoretischen Background wird mit dem ein oder anderen Text Schwierigkeiten haben. Dass es jedoch nicht nur bierernst zur Sache geht, beweisen Beiträge wie “12 hilfreiche Regeln, um sich das Fotografieren abzugewöhnen” (“10: Waschen Sie sich nach jedem Foto die Augen aus”) oder die Fotoreihe “Vice”, die eigentlich ein Nebenprodukt der Fotografie darstellt und ein Lichtdouble im Einsatz zeigt. Ein Fotomagazin kann auch ohne nicht enden wollende Bildstrecken auskommen und diesen Titel trotz allem verdienen. Das beweist cahiers. Klick.

Warum soll ich das lesen?
Keine Praxis ohne Theorie. Und die liefert cahiers.

Risiken und Nebenwirkungen
Ein Foto ist ein Foto ist ein Foto.

> cahiers online

Florian Tomaszewski

Odiseo

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Hast Du’n Arsch im Gesicht, hast Du’n Arsch im Gesicht. Weiß jeder. Odiseo gehört zur jüngeren Welle von Freizeit-Magazinen, die sich nicht dem Radfahren widmen wollen, nicht dem Trimmen des Schnäuzers oder Häkeln von Lätzchen, nicht über Biotomaten oder Videospiele schreiben – sondern über Sex. Aber nicht nur ausschließlich – denn wie sind sonst Essays von Ingo Niermann (“Umbauland”) zu erklären oder von Joie Reinstein, in dem es um Gentrifikation geht?

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Davon abgesehen aber sind in Odiseo Fotostrecken abgedruckt, die wir früher – ähem – als geschmackvoll bezeichnet hätten. Dabei muss man aber eher an das denken, was B-Stars zu Protokoll geben, wenn sie im Eva-Kostüm ihren (schwarz-weiß geschmackvollen) Auftritt im Playboy haben. Das hier aber, das ist eine ganz andere Nummer. Auch wenn das Männermagazin am Ende von Odiseo noch ein kleines Feature hat. In dieses Zine (das sich mehr wie ein Buch anfühlt – lesen bildet!) darf man ruhig mal einen Blick riskieren. Besser ohne Arsch im Gesicht.

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Warum soll ich das lesen?
Hast Du Distinktion in der Hose, hast Du Distinktion in der Hose. War nur Spaß.

Risiken und Nebenwirkungen
Vielleicht gehst Du zum Masturbieren schon bald ins Museum. Wieder: nur ein Spaß.

> Odiseo online

Sven Job

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