InSerie

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Mittlerweile schaut jeder - von Deinem Chef bis zu Deiner Mutter -  Serien und kann über das Ende von Breaking Bad oder die Frauengeschichten von Don Draper stundenlang monologisieren. Trotzdem fehlt immer noch ein ernstzunehmendes Magazin zur Materie auf dem deutschen Print-Markt. torrent unternahm 2012 den Versuch, die serielle Erzählung als Gegenstand eine Magazins zu etablieren, musste jedoch nach drei Ausgaben wieder aufgeben und beschränkt sich momentan auf Podcasts. Ein Grund für die Schwierigkeit, über Serien zu schreiben, liegt an ihrer uneinheitlichen Rezeption. Während der eine durch das Internet immer auf dem aktuellen Stand englischsprachiger Serien ist, wartet der andere auf den deutschen DVD-Relase oder das passende Angebot bei seinem Streaming-Dienst. Bei einer Berichterstattung schwingt also immer die Gefahr mit, an einer Zielgruppe vorbeizuschreiben. Für die einen hinkt der Autor hinterher und liefert nichts Neues, für die anderen ist er schon viel zu weit und er riskiert – ein Reizwort unter Serienfans – den Spoiler. Das Eis ist also immer dünn. Trotzdem wagt sich jetzt InSerie aus dem Heinrich Bauer Verlag darauf.

Anders als torrent geht InSerie dabei nicht allzu sehr in die Tiefe. Im Stile einer TV-Zeitschrift, das Heft ist ein Ableger von TV Movie, werden die jeweiligen Serien mit wenigen Sätzen vorgestellt, mögliche Spoiler werden einfach kopfstehend abgedruckt. Ausführliche Hintergrundberichte sollte der Leser nicht erwarten. InSerie ist vielmehr ein Service-Produkt, das dem Leser eine gewisse Orientierung in der Serienlandschaft bietet, ansonsten jedoch oberflächlich bleibt. Welche Serie läuft mit welcher Staffel auf welchem Streamingdienst? Wer allein das wissen will, ist hier gut bedient. Alle anderen müssen weiterhin auf das passende Magazin warten. Wenn sie bei all den Serien überhaupt zum Lesen kommen.

Warum soll ich das lesen?
Weil Du längst den Überblick verloren hast und Hilfe brauchst.

Risiken und Nebenwirkungen
InSerie macht Dich auf noch mehr Serien aufmerksam. Deine Freunde werden Dich in nächster Zeit noch seltener sehen.

> InSerie Leseprobe

Florian Tomaszewski

Walden

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Wann ist ein Mann ein Mann? Glaubt man dem Magazin Walden aus dem Hause Gruner + Jahr, wenn er unter anderem die richtige Arschbomben- und Paddeltechnik beherrscht. Das Magazin bedient die aktuelle Sehnsucht gestresster Büromenschen nach Natur und Abenteuer, gepaart mit einer kernigen Rhetorik und Pfadfinder-Romantik. Das aber durchaus unterhaltsam und gelegentlich blitzt gar etwas Ironie durch die schön gestalteten Seiten.

Raus ins Grüne soll es also gehen. Aber bitte nicht zu weit. Statt mit exotischen, aber für die meisten auch unerreichbaren Abenteuern zu prahlen, beschränkt Walden sich bewusst auf den Reiz der Heimat. Statt Amazonas eben die Mecklenburgische Seenplatte. Da reicht auch das lange Wochenende aus und für ein paar knackige Geschichten am Montagmorgen im Büro ebenfalls.

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Die Lust an Outdoor, Wald und Wiese versteht Walden durchaus zu vermitteln. Auf über 130 Seiten findet der Leser schöne Illustrationen, hilfreiche Tipps wie die schönsten Zeltplätze Deutschlands und spannende Reportagen. Das Heft erlaubt sich sogar Extravaganzen wie einen beigelegten “Field Guide” für den Frühling und eine ausfaltbare Karte des Karwendelgebirges. Wenn dann noch eine Anleitung für Dylans Lagerfeuer-Klassiker “Blowin’ In The Wind” Humor beweist, ist die Premiere gelungen. Im Herbst soll es eine Fortsetzung geben.

Warum soll ich das lesen?
Das größte Abenteuer ist für Dich bisher die Zusammenführung zweier Excel-Tabellen? Du solltest mal einen Blick in Walden werfen.

Risiken und Nebenwirkungen
Ein Wochenende voller Mückenstiche und ungewohnter Geräusche lässt für Dich nur einen Schluss zu: zurück zum Beton. Das passende Magazin gibt es bestimmt auch bald.

> Walden online

Florian Tomaszewski

Echt.Niedersachsen

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Niedersachsen. Das ist plattes Land. Das ist Fleisch. Das sind Charlotte Lindholm und Christian Wulff. “Nö”, dachten sich sechs Niedersachsen-Fans und produzierten Echt. Niedersachsen  – das neue Landmagazin. “Wie lebt es sich zwischen Küste und Harz?” sollen Leserinnen und Leser erfahren.

Die Themenauswahl ist für die Jahreszeit Frühling und ein Landmagazin typisch: Erdbeeren und Spargel, Wandertouren und einheimische Designer.  Dazwischen aber finden sich Beiträge zu Land und Leuten, die durch Aktualität und sorgfältige Recherche überzeugen: das Thema Wolf zum Beispiel. Die Rückkehr des haarigen Gefährten sorgt in Niedersachsen für gemischte Gefühle. Wie Schäfer, Naturschützer oder die Oma von nebenan zum Wolf stehen, wird in sechs kurzen Beiträgen dargestellt. Unterfüttert wird alles noch einmal mit ein paar Fakten. Auch umfangreich recherchiert und schön verpackt: das Themenspezial “Echt. Liebe” mit “18 Seiten über das Herzklopfen auf dem Land”. Wem die üblichen Pärchenporträts zu langweilig sind, kann auch einfach die Story über das harte Leben von Deckbullen mit pinkem Irokesenschnitt und Nasenring lesen. Die Redakteur_innen zeigen so: Klar können wir die 08/15-Inhalte, aber wir wollen mehr.

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Gerade bei den Seiten zum Wolf fallen die schönen Illustrationen auf, die sich auch an mehreren Stellen im Blatt finden. Überhaupt wird im ganzen Heft viel Wert auf eine ansprechende Optik gelegt, die den Texten einen Rahmen gibt, sie aber nicht verschluckt. Echt.Niedersachsen soll keine oberflächliche Landhausstil-Hochglanzbroschüre sein: Dieser Anspruch der Macher_innen ist deutlich zu erkennen. Einmal kurz durchblättern ist nicht. Wer anfängt, einen Text zu lesen, liest weiter. Bis zur letzten Seite – und die trägt immerhin die Nummer 130. Danach kann man dann in Ruhe den beigelegten Terminkalender für die Sommermonate durchforsten und Wochenendausflüge planen, zum Beispiel mit den Ausschneidekarten für “Kurztrips in die Heimat”.

“Wer in Niedersachsen braucht so etwas?”, werden einige sich fragen. Niedersachsen ist groß und landschaftlich wie gesellschaftlich sehr heterogen. Die ganze Vielfalt kann sich einem nur erschließen, wenn man auf Entdeckungstour geht. Und dafür liefert Echt.Niedersachsen Starthilfe. Diesen Eindruck können mir als Zugezogene waschechte Niedersächsinnen und Niedersachsen auch bestätigen.

Warum soll ich das lesen?
Für die Nicht-Niedersächsinnen und -Niedersachsen: Egal ob Berg, Meer oder plattes Land, das alles gibt es in Niedersachsen und zwar auch einfach aus den umliegenden Bundesländern zu erreichen. Wo genau es sich besonders lohnt hinzufahren, erfahre ich in Echt.Niedersachsen. Und auch, was gerade so außer der Familie Wulff in Niedersachsen geht.

Für die Niedersächsinnen und Niedersachsen: Weil du das Erdbeer-Café um die Ecke schon kennst, genauso wie deinen Lieblingswanderweg. Einfach mal aus raus den Puschen und mal was anderes ausprobieren.

Risiken und Nebenwirkungen
Wenn es ganz arg läuft: ein neuer Wohnsitz. Aber auf jeden Fall ein paar vermeintlich spießige innerdeutsche Trips mehr im Kalender und vielleicht ein paar Kilogramm mehr auf der Waage (wie das halt so ist mit Rezepterubriken).

> Echt.Niedersachsen online

Hanna Forys

Lodestars Anthology

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Schottland ist ja das Land der Highland-Krieger, der Clans und Dudelsäcke, Nessie und frittierten Snickers. So viel zu den Klischees. Ich bin selbst schon für ein paar Monate dort gewesen und kann so viel sagen: Ein publikumsscheues Tiefseemonster habe ich nie erblickt und das Snickers habe ich mir auch gespart.

Schottland ist auch ein stolzes Land, das bei einem Referendum 2014 nur knapp die Unabhängigkeit verfehlt hat. Das Magazin Lodestars zollt der Landeskultur Respekt und will dabei zeigen, was Schottland ausmacht. Wertvolle Links und Ausgehtipps inklusive. Was das im halbjährlichen Rhythmus erscheinde Bookzine zu einem ziemlich coolen Reiseführer macht. Jede Ausgabe widmet sich einem anderen Land und nach England und Schottland geht es danach hoffentlich auch mal weiter weg. Lonely Planet kann dann einpacken.

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Dabei ist Lodestars weniger ein Magazin und mehr, das sagt ja schon der Name, eine Anthologie von Berichten, Geschichten und ausführlichen Essays. Großformatige Fotographien zeigen mal die kühle Eleganz der Highlands, mal Schlösser, Wiesen, Felder oder Möwen. Aber fast nie Menschen. Lodestars ist schließlich kein Touri-Führer, wenigstens keiner der konventionellen Art.

Von Edinburgh zum Loch Lomond, zur Isle of Skye, über einen Abstecher auf die Shetland-Inseln bis nach Aberdeen: Lodestars macht viele Vorschläge, abzutauchen. Und wenn auch nur zwischen zwei Buchdeckeln.

Warum soll ich das lesen?
Schottland ist ein Land der Poeten, voller rauer Schönheit und gutem Whiskey. Und das ist alles drin in Lodestars.

Risiken und Nebenwirkungen
Allerdings nicht Christopher Lambert. Sorry!

> Lodestars Anthology online

Sven Job

Lost

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Über 300 Seiten dick, aber in einem handlichen Format, das wunderbar in den Backpack-Rucksack oder wahlweise die Handtasche passt – und trotzdem wäre das neue Magazin Lost fast nie bei uns angekommen. Das dachten wir uns zumindest, bis nach langer Wartezeit endlich dieses Paket im Briefkasten lag, über und über mit bunten Briefmarken zugeklebt. Es ist ein weiter Weg aus Shanghai bis ins beschauliche Köln!

Aber das Warten hat sich gelohnt. Lost handelt vom Reisen, über die Begegnungen mit Menschen und wie es sich anfühlt, fremde Kulturkreise kennenzulernen. Dabei geht es aber nicht um die Jagd nach dem weißesten Strand, dem tollsten Dubai-Selfie oder der verrücktesten Kanu-Fahrt im Kongo, um damit später in Facebook anzugeben. Nein, bei Lost geht es um das Verloren-Gehen, denn hier ist der Weg das Ziel.

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Die erste Ausgabe ist vollgepackt mit Geschichten von Reisenden, die sich auf eigene Faust durchschlagen, um Land und Leute kennenzulernen. Und auf ihren abenteuerlichen Trips Erfahrungen machen, mit denen sie selbst am wenigsten gerechnet haben. So erzählt ein Mann, wie er sich als einziger ausländischer Tourist mitten im Arabischen Frühling in Kairo wiederfand – und erst mal damit klarkommen musste, was das bedeutet, “Ausgangssperre”. Und eine junge Frau erzählt, was sie bei ihrer Reise durch Japan erlebte – dass die meisten Japaner kein Englisch sprechen, hielt sie nicht davon ab, neue Freundschaften zu schließen, selbst wenn sie sich dafür mit Hand und Fuß mitteilen musste. Diese Erzählungen machen Lost aus und sind zugleich weit entfernt von Pauschalreisen mit Animationsprogramm. Aber dafür umso aufregender.

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Die Texte sind in englisch und chinesisch gehalten und die wunderschönen Reise-Fotos von Lhasa, Osaka, Vietnam, den Pyramiden oder dem Gelben Meer ergänzen diese Reiseberichte auf angenehme Art. Sie sind nicht perfekt und nicht geschönt, auf manchen ist die einsame Schönheit der Natur zu sehen, andere sind verwackelte Schnappschüsse von flüchtigen Bekanntschaften oder vergilbte Familienfotos.

Lost weckt die Lust, sich auf eine Reise zu begeben, irgendwohin, wo man noch niemals war. Und sich dabei selbst besser zu verstehen. Oder, in den Worten des Magazins: “Travelling can be an opportunity to let us abandon ourselves, face the world, open a path, humble ourselves, and to bring back what we have gained.”

Warum soll ich das lesen?
Wer verloren geht, kann auch gefunden werden.

Risiken und Nebenwirkungen
Das kann auch mal eine Weile dauern.

> Lost online

Sven Job

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