N#mmer

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Schuld ist Dustin Hoffmann. Immer noch bestimmt seine Darstellung des “Rain Man”, der gleichnamige Film ist von 1988, das Bild vieler, wenn es um Autismus geht. Ein kauziger Sonderling, der das Telefonbuch auswendig lernt oder mit nur einem Blick auf den Boden gefallene Streichhhölzer zählt. In den letzten Jahren ist schließlich noch eine andere mediale Zuschreibung hinzugekommen: der Autist als gefühlskalter Roboter. Eigentümliches Verhalten ist häufig “autistisches” Verhalten, dem damit Charakterisierten wird ein Mangel an Empathie attestiert. Beide Sichtweisen würdigen jedoch Menschen mit Autismus herab und haben kaum etwas mit der Realität gemein.

So verwundert es nicht, dass sich Herausgeberin Denise Linke im Editorial der ersten N#mmer-Ausgabe offensiv gibt: “Kämpf für euch, kämpft für eure Lieben.” Linke, die selbst vor wenigen Jahren die Autismus-Diagnose erhielt, finanzierte ihr Magazin via Crowdfunding und richtet sich mit diesem an alle “Autisten, AD(H)Sler und Astronauten”. Als Astronauten sind übrigens alle Nicht-Autisten gemeint, die Besucher einer noch fremden Welt sind.

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Inhaltlich setzt die Premierenausgabe ihren Schwerpunkt auf ein Thema, mit dem allerdings jeder etwas anfangen kann: Liebe. So berichtet eine autistische Frau über die Herausforderungen der Partnersuche – oder das Thema BDSM wird in einem ausführlichen Gespräch mit Autisten und Nicht-Autisten erörtert. Dies sind interessante und persönliche Einblicke, die dem Leser einen Perspektivenwechsel ermöglichen. Daneben gibt es aber auch kritische Texte zur Ursachenforschung, Diagnostik und Therapie. Gelegentlich fallen diese zu herausfordernd und subjektiv aus – etwas weniger “Wir gegen sie” würde an mancher Stelle nicht schaden.

Das Layout orientiert sich an Publikationen wie Dummy oder Neon und lockert das unkonventionelle Thema des Magazins auf. Vielleicht gelingt es damit auch, Leser anzusprechen, die bisher keine Erfahrungen mit Autismus gemacht haben. Zu wünschen wäre N#mmer eine breite Leserschaft allemal.

Warum soll ich das lesen?
N#mmer bietet interessante Sichtweisen und ermöglicht dem Astronauten vielleicht sogar den Schritt in unbekanntes Terrain.

Risiken und Nebenwirkung
“Houston, wir haben ein Problem!”

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Florian Tomaszewski