HATE

“Seit 2000 Jahren lebt die Erde ohne Liebe / Es regiert der Herr des Hasses”

Und es begab sich also zu einer Zeit, da in Berlin echt alles gesagt war, alles getanzt war und man verdammt noch mal schon genug Stunden vor dem Berghain rumgestanden hatte. Und rein kamen dann wieder andere.

HATE befasst sich mit Kunst, Drama, Fotografie, Performance. Und natürlich dem Gefühl, das wir alle kennen; während es die einen umarmen, halten es die anderen dezent auf Abstand – die Abscheu, das Genervt-Sein, der Hass. Aber keine Angst, wie sein Gegenstück Liebe kann auch Hass goutierbar sein. Das Thema der aktuellen Ausgabe ist eigentlich gut gewählt: Natur. Es wird höchste Zeit für den Backlash auf die Naturbegeisterung allerorten: Familienurlaub auf dem Bauernhof und Wohnen auf dem Lande werden schon in genug Magazinen glorifiziert und in schönen Bildern präsentiert. Da ist es angenehm, wenn dem Rückzug ins Biedermeier-Private, dem Raus ins Grün, irgendwas entgegen gesetzt wird. Genug Worte über den Inhalt verloren, jetzt mal zum Magazin selbst.

“Hässlich, ich bin so hässlich, so grässlich hässlich / Ich bin der Hass”

Im 260 Seiten dicken Bookzine finden viele Ideen Platz: Betrachtungen medizinischer Grausamkeiten genauso wie Erklärungen, warum es die Hölle sein kann, ein Mensch zu sein: Entweder ist man immer krank oder immer gesund, zu sehr Individuum oder zu wenig. Dazwischen sind zur Auflockerung Bilderstrecken gedacht, die Kunst und Selbstdarstellung zeigen und verwesende Tiere. Aber ist das alles Hass? Vielleicht ist es die leise Abscheu, die dieses Magazin dann doch zu etwas Einzigartigem macht. Ach und weil sich die besprochene Ausgabe dem Thema “Natur” widmet, finden sich immer wieder Bilder von Pflanzen – sie wirken absolut nutzlos, wuchern in alle Richtungen. Sie wissen nicht, wohin die Reise gehen soll und leben einfach vor sich hin – das ist ihr Verbrechen, gegen das die HATE-Autoren in vorderster Front ankämpfen.

“We do not need any love on this planet!”

Dazu gibt man sich der Idee hin, die Natur abzuschaffen, der Mensch wird imaginiert als das “einzige[s] verbleibende organische Produkt.” Selten ist Naturromantik entschiedener abgelehnt worden. Am Ende dieser Entwicklung bleibt: der individuelle Mensch, frei und selbstbestimmt. Bis es soweit ist, fließt noch viel Hass die Spree herunter.

Warum soll ich das lesen?
Du liest mal wieder “ein gutes Buch”. Und lernst dabei viel über Krüppel, kleine und große Gebrechlichkeiten und Fotoshootings in Berlin.

Risiken und Nebenwirkungen
Du verstehst das mit dem “Hass” falsch. Und liebst nicht mehr deinen Nächsten.

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Sven Job / Songzitate aus DÖF “Codo”