Fettliebe

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Kurz und schmerzfrei, lautet der Auftrag: Das fällt bei einem Heft, das sich im aktuellen Untertitel selbst als “Notzäpfchen für unterwegs” ausweist, nicht schwer. Die Fettliebe ist eine Literaturzeitschrift, die sich dem Untergrund zugewandt hat. Wobei Untergrund nach längst abgegriffenen Alternativen klingt: Nach Pseudo-Hipstern und dem nächsten Poetry-Slam-Kreismeister, auf den sich aber eigentlich alle einigen können. Die Zeitschrift ist aber anders, ein simpler Freiraum nämlich für literarische Texte.

Das Abwegige, (noch) Unveröffentlichte trifft sich hier mit dem manchmal Derben, bewusst Trashigem oder Albernem. Karikaturen und Kolportagen stehen neben Gedichten und kurzer Prosa. Zwölf Ausgaben im A5-Format hat das vierköpfige Kollektiv von Leipzig aus bereits verantwortet. Die Stadt ist auch die sicherste Adresse, um an das Heft zu gelangen. Denn beim Vertrieb stellt sich die Redaktion auch gegen die durch und durch digitalisierte Zeit. Zwar existiert ein E-Mail-Postfach, um Texte einzusenden, aber um die Fettliebe analog und werbefrei gedruckt in den Händen zu halten, muss man in ausgesuchte Buchhandlungen oder zu einer der Lesebühnen. Die gab es in Leipzig schon, bevor Performance und Publikumsertrag im Vordergrund standen und am Ende eines Abends immer einer allein als Sieger nach Hause gehen durfte.

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Hier kann jede Geschichte ein Sieger sein. Ob es nun um einen chinesischen Ulysses geht oder eine Suizidphantasie im Großraumbüro, ob von Gelegenheitsprostitution die Rede ist, die einen jungen Freier, nicht aber den Leser kalt lässt. Und das ist nur ein unvollständiger Streifzug durch die aktuelle Ausgabe.

Warum soll ich das lesen?
Literatur erkennst Du ab sofort nicht erst, wenn sie Dir jemand auf einer Bühne vorliest.

Risiken und Nebenwirkungen
Digital ist doch nicht besser: Du zerstörst Deine liebste Tocotronic-CD, meldest sämtliche Onlineaccounts ab, und verschreckst den Postboten, wenn er Dir irrtümlich doch noch irgendwelche Amazon-Pakete zustellen will.

Einsenden kann jede/r junge deutschsprachige Literat/in. Die Auswahl behält sich die Redaktion vor.

Manuel Niemann