Ist Fotografie das demokratischste aller Massenmedien? Schreiben kann irgendwie ja jeder und nachlesen, was dabei herauskommt, das kann im Internet ein Publikum von Millionen. Aber wie viele Leser verlieren bei den unzähligen Einträgen auf unzähligen Blogs nach den ersten Sätzen das Interesse? Fotos sind dagegen unmittelbarer, denn ein jeder hat die Zeit, sich ein Bild anzusehen. Besonders im Internet, der egalitärsten aller Plattformen. Schneller Konsum und schnelles, omnipräsentes Medium – ist das die ultimative Win-Win-Situation?
Kann ja sein, aber gleichzeitig gibt es eine mächtige Bewegung zurück zu Print. Print ist haptisch und einzigartig. Für manche wirkt das gedruckte Magazin bereits schrullig – das hat auch seinen Reiz. Man kann sich die Seiten an die Wand hängen. Print ist greifbar. Drei Design-Studenten sehen das genauso und haben daraus das Heft Der Greif gemacht – 2000 Exemplare, nummeriert, gegen die Bilderflut, die uns der digitale Raum vorsetzt. Denn Demokratie nervt auch – wenn jeder mit einem Smartphone seine Schnappschüsse in Tumblr veröffentlicht, droht das Gold in Bergen von Altmetall unterzugehen: ein Gerümpelhaufen. Heftmacher Leon Kirchlechner drückt es selbst so aus: “Im Netz wird das Medium Foto entwertet.”
Doch gerade dem Netz entstammen die Fotografien, die in Der Greif gezeigt werden. So viele, dass die Macher die Wahl aus über 5000 Einsendungen hatten, gemacht in und verschickt aus der ganzen Welt. Dieses Internet hat doch seine Vorzüge. Der Greif verliert über die schließlich ausgewählten Bilderstrecken nicht viele Worte und lässt sie für sich selbst sprechen. Wüst und museal, samtblau und zentralmassiv sind sie, mal wolkenverhangen und stumm, mal blutig geschlagen, absent, hellwach. 100 Seiten zeigen, was die moderne Fotografie abzubilden alles imstande ist. Die Botschaft hinter allem bleibt rätselhaft, ergibt aber gerade deswegen ein Bild unserer Welt, vielstimmig und episch. Nur eines wird deutlich: Das Web ist nicht der Tod für gut gemachte Magazine, sondern kann ganz neue Perspektiven eröffnen.
Warum soll ich das lesen?
Ein Bild sagt mehr als tausend Bytes. Betrachten, schnuppern, fühlen. Lesen ist optional, aber auch gut.
Risiken und Nebenwirkungen
Ein Kunststudium. Vielleicht kaufst du dir auch eine Spiegelreflexkamera.
Sven Job