Im Jahr 2013 mit einer neuen Zeitschrift für Popmusik in einen scheinbar schon überfüllten Markt zu stoßen, klingt erst mal nach keiner besonders guten Idee. Aber wie man bei den ersten Sonnenstrahlen nach einem langen Winter erst merkt, was man die ganze Zeit vermisst hat, ist Das Wetter alles andere als eine schlechte Idee. Das Magazin widmet sich zwar mehr oder weniger denselben Bands wie auch Spex oder Intro. Aber zwischen dem kulturwissenschaftlichen Proseminar auf der einen Seite und der betonten Hipster-Jugendlichkeit auf der anderen, hat Das Wetter einen dritten Weg gefunden: die Schreibe aus der Ich-Perspektive.
In jedem Artikel – ob nun in der Titelstory über Rap-Darling Casper, in der Aufzeichnung eines langen Spaziergangs mit Schlager-Romantiker Dagobert oder in dem Lesebericht zum Buch “Selbst denken – eine Anleitung zum Widerstand” von Harald Welzer; immer geht es um den persönlichen Bezug.
Das Wetter ist also gerade kein abstrakter Wetterbericht, so mit animierten Wolken und kleinen gelben Blitzen im trockenen Studio, sondern der Versuch von Menschen, zu beschreiben, wie sich der gewaltige Regenschauer gerade angefühlt hat. Was machen die Musik, die Texte, das Konzert, das Bier mit einem? “Hin zu den Texten und hin zu den Klängen!” scheint das Motto zu sein.
Hier schreiben nicht Autoren, die mit ihrem Expertenwissen belehren wollen. Stattdessen hat der Leser das Gefühl, mit dem Rezensenten auf Augenhöhe zu sein. Mit einem Rezensenten, die eigentlich auch nur ein Fan ist. Am stärksten berührt vielleicht der Artikel über einen gewissen Bernd Höhne. Er ist Rentner und erst vor einigen Jahren mit Indiekultur und ihrer Musik in Berührung gekommen. Das Wetter schafft es hier und an anderen Stellen beinahe immer zwischen “Zynismus” auf der einen Seite und “Betroffenheit” auf der anderen zu manövrieren. Anders als das übliche Fanzine ist Das Wetter aber gleichzeitig ein hochklassiges Magazin, mit tollen Fotos, Zeichnungen – und einem Comic von Oscar Wald von der Berliner Band Chuckamuck.
Brauchen wir also ein neues Musikmagazin? Bob Dylan textete einmal: “You don’t need a weatherman to tell you where the wind blows”. Da wusste er natürlich noch nichts vom Tornado der überall verfügbaren Musik. Das Wetter hilft dabei, sicher durch diese Soundcloud zu kommen.
Warum soll ich das lesen?
Zynismus und Coolness gibt schon genug in der Popliteratur. Das Wetter hat das nicht nötig.
Risiken und Nebenwirkungen
Nach der Lektüre könnte es sein, dass deine Mitbewohner auf einmal deutschen Schlager oder Straßenrap aus deinem Zimmer hören und sich fragen: Quarterlife-Crisis?
Ulrich Mathias Gerr