Dass ein Comicmagazin aus den fünfziger Jahren Camp hieß, ist für diese indirekte Neuauflage ein Glücksfall. Verbindet man damit doch dieser Tage nicht nur das Camp als das Abenteuerlager, das damals gemeint war, sondern eher das kulturwissenschaftliche Konzept. Dieses Konzept spricht über den Begriff “Camp” dem Trivialen, dem Kitschigen und Prätentiösen einen Wert zu, anstatt es einfach als banal zu verwerfen. Etwas als Camp wahrzunehmen, stellt eine gewisse sarkastische Distanz her – so wie wenn man aus ironischen Gründen Rosamunde Pilcher liest.
Das Magazin besteht aus drei Säulen: “Comic, Illustration und Trivialkultur”. Die Comic-Säule ruft unbekanntere und lang vergessene Veröffentlichungen von vor allem deutschsprachigen und amerikanischen Comics zurück ins Leben der Aufmerksamkeit. Wer weiß schon, dass Lupo, ein schräger Outsider-Charakter aus dem Fix&Foxi-Universum, eine eigene Comicreihe hatte?
Wenn schon diese langvergessenen Comicreihen heute ein sprichwörtliches Stiefmütterchen-Dasein fristen, dann sind die Illustrationen der “Pulp Fiction” und Dreigroschenromane, die die zweite Säule des Heftes ausmachen, die noch unbeachtetere alte Nachbarin eben dieser Stiefmutter. Man lernt also nicht nur etwas über krude Comicraritäten, sondern vielleicht mehr noch über ihre Zeit und die Kultur, in der diese entstanden sind.
Die dritte Säule schließlich bilden kulturwissenschaftliche Essays zur Trivialkultur, in der Erstausgabe prominent vertreten unter anderem vom ehemaligen Spex-Autor Georg Seeßlen und (als Nachdruck) Michael Chabon.
Camp verströmt Nostalgie, und das verrät nicht nur eine Menge über die Geschichte der Comics, sondern auch über unsere Gegenwart, in der man sich für so etwas wieder zu interessieren beginnt. Camp ist dabei auch ein Schrei gegen das Vergessen. Und nur weil dieser Schrei in einer Sprechblase steht, ist er deswegen nicht weniger laut.
Warum soll ich das lesen?
Du kannst Dich in Deine Jugend zurückversetzen, in das Camp der Kindheit, oder aus der Distanz das Skurrile und das Campy-Ironische lesen. Kommt darauf an, wie alt Du bist.
Risiken und Nebenwirkungen
Gehörst Du zur ersten Gruppe, wird Dir klar, wie alt Du wirklich bist.
> Camp – Magazin für Comic, Illustration und Trivialkultur online
Ulrich Mathias Gerr