Das unlesbare Buch

Der Himmel verdunkelt sich zur Apokalypse. Ein gewaltiger Feuersturm entlädt sich und nur wer den Blick vor der hässlichen Fratze des Bösen verschließt, bleibt verschont. Die Konsequenzen, die das Öffnen der Bundeslade im ersten Indiana-Jones-Film “Jäger des verlorenen Schatzes” hat, scheinen in der allgemeinen Wahrnehmung genau jene Folgen zu beschreiben, die ein Blick in Hitlers “Mein Kampf” hat. Der wirre Monolog eines damals Inhaftierten wurde über Jahrzehnte so sehr dämonisiert, dass er mittlerweile zum Mythos geworden ist, zum verführerischen Bösen. Etwas Schlimmeres konnte kaum passieren, werden damit doch jene Propagandazwecke erfüllt, die ein Handelsverbot verhindern will.

Welche Konsequenzen diese Kurzsichtigkeit hat, müssen jetzt der englische Herausgeber Peter McGee und damit auch der interessierte Leser erfahren. McGees Vorhaben, Auszüge des Buches in einer kommentierten Ausgabe in den Zeitschriftenhandel zu bringen, führte in den deutschen Medien zur reflexartigen Empörung und gipfelte meist in der vereinfachten Schlagzeile: “‘Mein Kampf’ am Kiosk.” Davon, wohin uns diese Verkrampfung bringt, kann sich jeder selbst überzeugen, der sich das jetzt erschienene Das unlesbare Buch als Beilage der Zeitungszeugen kauft.

Durch einen Beschluss des Münchner Landgerichts und der Entscheidung McGees wurden die Originalpassagen aus “Mein Kampf” unleserlich und die Misere für jeden sichtbar gemacht. Das unlesbare Buch wird damit ungewollt zu einem Abbild dessen, was falsch läuft. Anstatt den “Autisten Adolf Hitler”, wie er im Vorwort genannt wird, zu entzaubern und “Mein Kampf” sein Faszinosum zu nehmen, richten Verbote und Zensur an der falschen Stelle das genaue Gegenteil an. Hitler bleibt das Monster, vor dem der labile Bürger geschützt werden muss. Manchmal muss man sich dem vermeintlich Bösen aber doch stellen, um es zu überwinden.

Warum soll ich das lesen?
Weil du schlauer bist als die Anderen und der Wille doch zählt.

Risiken und Nebenwirkungen
Du bekommst Kopfschmerzen bei dem Versuch, die Originalpassagen zu entziffern.

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Florian Tomaszewski